Am Anfang steht die Desillusionierung in Gestalt des Todes: Er werde sterben, durch eine Kugel, im Krieg. Das erfährt der junge Leutnant Carl Joseph von Trotta, der verloren über die von einem weißen Gerüst dominierte Drehbühne schwankt, gleich vorweg. Quasi aus dem Jenseits rollt Goerden in den folgenden (pausenlosen) 110 Minuten das Geschehen auf, seziert den Untergang der Monarchie anhand dieser schwermütigen Familiengeschichte, die nicht zuletzt durch ihre Verfilmungen von Michael Kehlmann (1965) und Axel Corti (1994) so ziemlich jedem ein Begriff sein dürfte - oder sollte. Denn wer die Grundzüge der Handlung nicht präsent hat, könnte es in dieser äußerst knappen, stark verschränkten Inszenierung schwer haben, dem Geschehen zu folgen.

Schließlich hat sich Goerden, der an der Josefstadt in der Vergangenheit unter anderem mit der Dramatisierung von Viscontis "Die Verdammten" überzeugte, einiges an Radikalität gegenüber der Vorlage herausgenommen: Eine radikale Textliebe, die sich in Form eines exzessiven Einsatzes jener Erzählstimme bemerkbar macht, die den Roman zu einem Klassiker gemacht hat, indem sie mühelos von der Totalen ins tiefste Innere der Figuren zoomt und wieder zurückschnellt, dass einem schwindlig werden könnte. Doch hat sich Goerden nicht für einen einzigen Erzähler entschieden: Vielmehr hat er die mal erklärenden, mal raffenden und dann wieder analytischen Passagen kunstvoll unter den Figuren aufgeteilt, die blitzschnell zwischen ihren jeweiligen Charakteren und der Erzählstimme zu changieren haben.

Ein Kunstgriff, der die überaus kurze Spieldauer ermöglicht, der es aber auch all jenen schwer machen könnte, die sich nicht eingehend mit der Vorlage (oder den Verfilmungen) auseinandergesetzt haben. Apropos Ensemble: Goerden stemmt seine Inszenierung rund um den "Helden von Solferino", dessen kaisertreuen Sohn Franz von Trotta und schließlich den das Auseinanderbrechen der Monarchie hautnah erlebenden Carl Joseph mit nur zehn Schauspielern, die zwei Dutzend Rollen zum Leben erwecken.

Einzig Florian Teichtmeister als jungem, von den Ereignissen rund um ihn überforderten Leutnant, Joseph Lorenz als dessen gestrengem Vater, Andrea Jonasson in einer famosen Hosenrolle als Graf Chojnicki und Ingrid Christina Winkler als "Amtsperson" (und Souffleuse im Dauereinsatz) ist es vergönnt, sich einer einzigen Figur zu widmen - plus der Erzählstimme. Mal als "Held von Solferino" im Bilderrahmen, dann wieder als Diener Jacques oder Major tritt Michael König in Erscheinung, Pauline Knof zeigt ihre Wandlungsfähigkeit in den beiden zentralen Frauenrollen, der liebestollen Katharina Slama und der durchtriebenen Eva Demant. Ein ständiges Umziehen auf offener Bühne beschert die Regie Alexandra Krismer, die als durchgedrehte Valerie von Taußig, hysterisches Fräulein Hirschwitz oder Polizeirat und Oberst ihre Finger im Spiel hat.

Und so rasen die Protagonisten von Schlüsselszene zu Schlüsselszene, von der Kindheit des Bezirkshauptmanns über die Jugend des Leutnants, von Liebschaft zu Liebschaft und vom Spieltisch zum Duell. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Ungläubigkeit unter den Soldaten und schließlich der Tod: in fünf Minuten abgehakt. Furios das Finale, in dem die Protagonisten die papierene Kulisse zerlegen - Relikt der einst strahlend weißen Fassade einer Monarchie, die bereits länger als gedacht an einem seidenen Faden hing.

Elmar Goerden ist ein packender, äußerst fordernder Abend gelungen, dem jedoch anzulasten ist, dass in den knapp zwei Stunden kaum Zeit bleibt, das Innenleben der Figuren zu erkunden. Und so bleibt ausgerechnet Florian Teichtmeister, der durch das Geschehen gebeutelt wird wie in einem Windkanal, überraschend oberflächlich. Die seiner Figur innewohnende Melancholie, sein diffuser Weitblick in den Abgrund, bleibt lediglich eine Ahnung. In seiner Passivität scheint er ein Opfer der Umstände zu sein. Eine Lesart, die zulässig ist. Gerade in Zeiten wie diesen.