Gleich zu Beginn wird das Blut aufgewaschen vom spiegelnden Messingboden. Alles supersauber? Nein, an Blutrünstigkeit wird es später nicht mangeln, wenn einer durch Selbstmord und zwei durch Rache sterben, wenn nackte Körper in Plastiksäcken wie Leichen wandeln oder „Salome“ einen abgeschnittenen Pferdekopf in den Schoß des enthaupteten Jochanaan legt.


Romeo Castellucci lieferte schon viele tiefgängige Regiearbeiten. Auch in Österreich, etwa mit einem „Orpheus“ von Christoph Willibald Gluck bei den Wiener Festwochen 2014, wo es mit einer auf die Bühne projizierten Kamerafahrt zu einer Wachkomapatientin in Lainz in die reale Unterwelt ging. Nun also sein Debüt in Salzburg, mit der „Salome“ von Richard Strauss, für die er „eine animalische Atmosphäre“ zu schaffen versprach. Und die ist dem Italiener vollends gelungen. Er zeigt: Ob Macht, Religion, Sexualität – der Mensch ist dem Menschen ein Tier.

Tanz der sieben Schleier


Der 57-Jährige, auch für Bühne, Licht und Kostüme zuständig, nutzt die Felsenreitschule als so reduzierten wie beklemmenden Ort: Die Arkaden verschlossen, der Raum fast leer, das Licht diffus, und statt in ihrem Tanz der sieben Schleier zu betören, wird Salome – die Zerrissene, Missbrauchte – von einem Stein erdrückt, selbst zu totem Stein.


Castelluccis minimalistischer Ansatz für diese Bibelepisode zeitigt maximale Wirkung, wenn er mit wenigen Requisiten das Wesentliche schildert, mit sparsamem Licht das Dunkel betont oder die runden Löcher im Podium einmal als Kerker und einmal als Bad nutzt für Hände, die sich nie mehr in Unschuld waschen lassen. Der „Magier der Bilder“ ließ das Premierenpublikum jedenfalls in tiefe Abgründe des (Un-)Menschlichen blicken.


Salome begehrt Jochanaan, der in einer Zisterne eingesperrt ist, weil er die Ehe von Herodes und Herodias, ihrer Mutter, zu geißeln wagte. Der Prophet und Täufer aber weist sie brüsk zurück. Ganz anders der so notgeile wie ängstliche König Herodes, der bei ihr Lust und Zerstreuung sucht. Gebunden an sein Versprechen, Salome für ihren Tanz der sieben Schleier jeden Wunsch zu erfüllen, erhält sie von ihm den Kopf des Jochanaan, der sie nicht lieben wollte. In ekstatischem Wahn küsst sie später die Lippen des abgeschlagenen Hauptes, ehe Herodes ihren Tod befiehlt ...


Richard Strauss erzählt als Komponist und Librettist (nach Oscar Wildes Drama) in aufpeitschenden, zuckenden Klängen diese Tragödie „von lauter Perversen“, wie er selbst einmal sagte. Die emotionsgeladene Literaturoper aus 1905 liegt bei Franz Welser-Möst, der das Werk erstmals in einer szenischen Fassung dirigiert, in besten Händen. Mit den hoch konzentrierten Wiener Philharmonikern durchmisst er die komplexe, kühn chromatische, farbenreiche und zu ihrer Zeit weit in die Zukunft weisende Partitur mit Übersicht und Verve.

Überragende Leistung


John Daszak gibt den zaudernden Herodes mit Abstrichen überzeugend, Anna Maria Chiuri die Herodias mit subtiler Häme, Gábor Bretz imponiert als unbeugsamer Jochanaan, bei Julian Prégardiens strahlendem Tenor bedauert man, dass er als Hauptmann Narraboth so bald stirbt. Allesamt festspielreif, wie auch das restliche Solistenensemble. Aber Asmik Grigorian überragt sie alle: Die litauische Sopranistin singt und spielt fulminant bis zur völligen Verausgabung die besessene Salome, die Abweisung und Missbrauch erdulden muss, dann zum Racheengel wird und zu spät erkennt: „Das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes.“


Das Publikum und Castellucci nicht nur sprichwörtlich knieten am Ende zu Recht vor Grigorian, deren Stern nach der Marie in Alban Bergs „Wozzeck“ im Vorjahr nun endgültig aufging und die mit einem Luftsprung nach den stehenden Ovationen für diese imposante Festspiel-Produktion abtrat.