Gleich zu Beginn wird das Blut aufgewaschen vom spiegelnden Messingboden. Aber an Blutrünstigkeit wird es später nicht mangeln, wenn einer durch Selbstmord und zwei durch Rache sterben, wenn nackte Körper wie wandelnde Leichen in Plastiksäcke gehüllt werden und "Salome" einen abgeschnittenen Pferdekopf in den Schoß des kopflosen Jochanaan legt.

Romeo Castellucci wollte für seine Regiedebüt in Salzburg "eine animalische Atmosphäre" schaffen. Und die ist dem Italiener vollends gelungen. Er zeigt: Ob Erotik, Macht, Religion - der Mensch ist dem Menschen ein Tier. Der 57-jährige, auch für Bühne, Licht und Kostüme zuständig, nutzt die Felsenreitschule als so reduzierten wie beklemmenden Ort: Die Arkaden verschlossen, der Raum fast leer, das Licht diffus, und der harte Stein des Mönchsbergs wird letztlich auch Salome erdrücken, selbst zu totem Stein wird die Zerrissene. Castelluccis minimalistischer Ansatz für diese Bibelgeschichte zeitigt maximale Wirkung, der "Magier der Bilder" ließ das Premierenpublikum in tiefe Abründe des (Un-)Menschlichen blicken.

Salome begehrt Jochanaan, der eingesperrt ist, weil er die Verbindung von Herodes und Herodias, ihrer Mutter, zu geißeln wagte. Der Prophet und Täufer aber weist sie brüsk zurück. Ganz anders der so übergriffige wie ängstliche König Herodes, der bei ihr Lust und Zerstreuung sucht. Gebunden an sein Versprechen, Salome für ihren Tanz der sieben Schleier jeden Wunsch zu erfüllen, erhält sie von ihm den Kopf des Jochanaan, der sie nicht lieben wollte. In ekstatischem Wahn küsst sie später die Lippen des abgeschlagenen Hauptes, ehe Herodes ihren Tod befiehlt...

John Daszak (Herodes), Anna Maria Chiuri (Herodias), Julian Pregardien (Narraboth, liegend) und Ensemble
John Daszak (Herodes), Anna Maria Chiuri (Herodias), Julian Pregardien (Narraboth, liegend) und Ensemble © ORF

Richard Strauss erzählt als Komponist und Librettist (nach Oscar Wildes gleichnamigem Drama) in aufpeitschenden, geballten, zuckenden Klängen diese Tragödie "von lauter Perversen", wie er selbst einmal sagte. Die emotionsgeladene Literaturoper aus 1891 liegt bei Franz Welser-Möst, der das Werk nun erstmals in einer szenischen Fassung dirigiert, in besten Händen. Mit den hoch konzentrierten Wiener Philharmonikern durchmisst er die komplexe, unglaublich farbenreiche und zu ihrer Zeit strikt in die Zukunft weisende Partitur mit Übersicht und Verve.

Asmik Grigorian (Salome), Julian Pregardien (Narraboth)
Asmik Grigorian (Salome), Julian Pregardien (Narraboth) © ORF

John Daszak als Herodes, Anna Maria Chiuri als Herodias, Gábor Bretz als Jochanaan, Julian Prégardien als Narraboth – allesamt festspielreif. Aber Asmik Grigorian überragt sie alle: Die litauische Sopranistin singt und spielt fulminant bis zur völligen Verausgabung die besessene Salome, die zu spät erkennt: „Das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes". Das Publikum und Castellucci nicht nur sprichwörtlich knieten am Ende zu Recht vor Grigorian, die mit einem Luftsprung nach den stehende Ovationen für diese imposante Festspiel-Produktion abtrat.