So etwas hat man selten gesehen: Ein zweifaches Finale im Großen Festspielhaus in Salzburg. Dienstag gaben Placido Domingo und Marina Rebeka "Thais" konzertant, und das mit einem derartigen Gefühlstiefgang, dass das Publikum keine Ruhe gab, bis sie das finale Duett noch ein zweites Mal sangen.

Dabei war die lettische Sopranistin eigentlich gar nicht als Thais vorgesehen, sondern sprang kurzerhand für ihre erkrankte Kollegin Sonya Yoncheva ein. Doch nach einem Einspringen klingt das nicht. Hier sitzt alles am rechten Fleck, als hätte sie sich lange auf die Rolle vorbereitet. Mit präziser Technik nimmt Rebeka jedes noch so hohe D mit Leichtigkeit, liebt, leidet und bereut, denn das ist die Wandlung der Thais, von der Sünderin zur Büßerin. So klar wie ihre Spitzentöne ist auch ihre Artikulation.

Marina Rebeka auf einem Archivbild aus dem Jahr 2013
Marina Rebeka auf einem Archivbild aus dem Jahr 2013 © AP (Michael Poehn)

Bekehrt wird Thais übrigens von niemand geringerem als Startenor Placido Domingo als Athanael, ein alter Hase in Salzburg möchte man sagen. Letztes Jahr feierte er sein 40-jähriges Bühnenjubiläum bei den Festspielen. Diese Zeit kann er trotz aller Farbpracht in seiner Stimme nicht verstecken, manchmal fehlt es an Kraft, doch in den stillen Momenten hört man wieder, warum Domingos Stimme noch heute so gefeiert wird.

In dieser konzertanten "Thais" findet man kein Haar in der Suppe. Es wird Qualität gezeigt, die die Aussage bestätigt, dass im Sommer in Salzburg die Weltspitze auftritt. So auch Benjamin Bernheim, der international noch als Geheimtipp gilt, in Salzburg aber definitiv auf der großen Bühne angekommen ist. Und auch um den Nachwuchs braucht man sich in Salzburg nicht zu sorgen. Kleinere Rollen wurden von Teilnehmern des Young Singers Project, dem Förderprojekt der Salzburger Festspiele für junge Sänger, übernommen, von denen besonders Simon Shibambus samtiger Bass heraus stach.

Die bekannte Unbekannte

Auch wenn Jules Massenets "Thais" zu den eher selten aufgeführten Werken zählt, so ist dem breiten Publikum doch ein Teil der Oper sehr bekannt, die Thais-Meditation, mit ihrer melancholischen Melodie der Solovioline, deren Thema besonders im dritten Akt prominent im ganzen Orchester vertreten ist. Felix Froschhammer spielt den Solopart und spielt ihn sanft und schlank, ohne zu pathetisch zu werden. Ähnlich lässt sich auch Patrick Fournilliers Dirigat des Münchner Rundfunkorchesters beschreiben.

Wenn alles so stimmig ist, wie es gestern im Großen Festspielhaus war, dann ist ausgelassener Jubel mehr als berechtigt. Domingo und Rebeka werden vom Publikum nicht mehr von der Bühne gelassen. Sie lösen sich mit einer spontanen Wiederholung des finalen Duettes aus. Ein Kraftakt - und das kurz vor Mitternacht -, den man schon beim ersten Mal nur schwer in derartig hoher Qualität stemmen können muss. Doch da stehen eben zwei ganz Große auf der Bühne.