Alle Schwachstellen des Vorjahres konnte Jürgen Flimm damit entschuldigen, dass er wegen seine späten Bestellung zum Intendanten der Salzburger Festspiele seinen ersten Sommer kurzfristig planen musste. Heuer gilt diese Ausrede nur bedingt. Da Flimm als Verantwortlicher für die Oper erneut keinen Lorbeerkranz erringen konnte, wird es Zeit, seine Nachfolge zu regeln, damit der nächste Intendant nicht auch aus der Hüfte schießen muss. Es spricht nämlich nichts dafür, den Vertrag des dann 70-Jährigen zu verlängern.

Ziele nicht ganz klar. Welche ästhetischen Ziele Flimm verfolgt, geht aus dem heurigen Opernsommer nicht hervor. Da stehen auf der einen Seite die szenische Hilflosigkeit von Stephen Langridge bei Verdis "Otello", das musicalhafte Arrangement von Gounods "Roméo et Juliette" durch Bartlett Sher und Pierre Audis Rückzug auf die Wirkung von Karel Appels bunter Bühnenwelt für Mozarts "Zauberflöte". Auf der anderen Seite finden sich mutige, gegen den Strich gebürstete, nicht durchwegs schlüssige Regieansätze in Claus Guths "Don Giovanni"-Inszenierung, dem Blick von Johan Simons auf Béla Bartóks "Herzog Blaubarts Burg" und Jossi Wielers und Sergio Morabitos Deutung der "Rusalka" von Antonin Dvorák.

Szenischer Spagat. Sollte Flimm bei diesem Spagat auf die Gunst des Publikums geschielt haben, musste er scheitern: Die hölzerne Nicht-Inszenierung des "Otello" stieß bei der Premiere ebenso auf Ablehnung wie die alles Märchenhafte ausklammernde, psychoanalytische Durchdringung der "Rusalka". Debattieren kann man über Flimms Auswahl der Stücke. Hatte Peter Ruzicka eine klare Dramaturgie entworfen (die er nicht umsetzen konnte), so herrscht bei seinem Nachfolger das von Dirigentenwünschen bestimmte Zufallsprinzip, ummäntelt vom Motto "Denn stark wie die Liebe ist der Tod", dem mindestens die halbe Opernliteratur entspricht.

Geplante Werke. Für Franz Welser-Möst setzte er heuer Dvoráks "Rusalka" an. Riccardo Muti wünscht sich für 2009 Rossinis "Moise et Pharaon" mit Ildar Abdrazakov, mit dem er das Stück schon 2005 in Mailand herausgebracht hat, und Nikolaus Harnoncourt will sein Salzburger Operncomeback 2010 doch nicht mit Alban Bergs "Wozzeck", sondern mit dessen "Lulu" feiern. Ausmachen lässt sich als Linie nur das Bemühen, unverzichtbares Kernrepertoire mit Opern zu ergänzen, die bei den Salzburger Festspielen noch nie inszeniert wurden. Heuer "Rusalka" und "Roméo et Juliette", im nächsten Jahr Rossinis "Moise et Pharaon", Händels "Theodora" und Luigi Nonos "Al gran sole".

Tummelplatz für Anfänger. Auf dem Holzweg befindet sich Flimm, wenn er vor allem Nachwuchskräfte einsetzen will. Als Reaktion auf die vielen Absagen der Stars im Vorjahr mag das verständlich sein, aber es kann nicht zur Regel werden, dass Debüts in wichtigen Rollen in Salzburg gegeben werden. War früher ein Salzburg-Engagement der Höhepunkt einer Karriere, so wird Salzburg jetzt zum Tummelplatz für halbfertige Anfänger. Natürlich konnten Nino Machaidze als vor allem jugendliche Juliette, Marina Poplavskaya als etwas überforderte Desdemona und Albina Shagimuratova als unerschrockene Königin der Nacht nicht den seinerzeitigen Sensationserfolg von Anna Netrebko wiederholen, deren Verlobter, Erwin Schrott, als Leporello im "Don Giovanni" auch keine stimmliche Offenbarung bot.

Bei Kartenpreisen bis zu 370 Euro hat das Publikum ein Recht darauf, in Salzburg die jeweils Besten ihres Fachs zu erleben.