Der Sieg beim Chopin-Wettbewerb hat beide Pianisten in eine Weltkarriere katapultiert. Der Italiener Maurizio Pollini hatte 1960 als 18-Jähriger in Warschau gewonnen, der Pole Rafal Blechacz mit 20 Jahren im Oktober 2005. Beide nehmen seither exklusiv für die Deutsche Grammophon auf. Musste Pollini 13 Jahre lang auf seine erste Einladung zu den Salzburger Festspielen warten, bei denen er seit 1973 fast jeden Sommer aufgetreten ist, so durfte Rafal Blechacz schon heuer sein Salzburg-Debüt feiern. Selbstverständlich spielte er dabei Werke von Frédéric Chopin, daneben auch Stücke von Franz Liszt. Beide Komponisten standen auch auf dem Programm von Maurizio Pollini. Damit erschöpfen sich, abgesehen von der souveränen Technik und der Fähigkeit zum Klangsensualismus, die Parallelen zwischen den Künstlern.

Rationalist. Pollini (66), dem nach dem bevorstehenden Abgang von Alfred Brendel die Rolle des Doyens unter den Weltklassepianisten zufällt, spielte im Großen Festspielhaus drei große, düstere Sonaten aus den Jahren 1836 bis 1853. In Robert Schumanns f-moll-Sonate aus seiner "dunkelsten Zeit", in Chopins b-moll-Sonate, in deren unpathetisch-nobel interpretiertem Trauermarsch das schlichte Des-Dur-Intermezzo faszinierte, und in Franz Liszts h-moll-Sonate erwies er sich als klar analysierender, zur Objektivierung neigender Rationalist, der die Grenzen zur Passion nicht überschreitet. In Geberlaune quittierte er den Jubel mit vier Zugaben.

Melancholie. Der 23 Jahre junge Rafal Blechacz besitzt eine auffallende Affinität zur Melancholie Chopins. Sein Spiel wirkt besonnen, fast frühreif, aber stets ungezwungen, begeisterte im Mozarteum auch bei Bach, Liszt und Debussy durch die frische Unmittelbarkeit der sehr persönlichen, keine Distanz kennenden Gestaltung.