Licht und Schatten. Damit sei vorerst noch nichts über die Qualität, sehr wohl aber über ein Grundprinzip der Adaption von Raphaela Edelbauers Roman „Die Inkommensurablen“ am Volkstheater gesagt. Die Inszenierung von Nils Voges, Bruder des scheidenden Volkstheater-Direktors, mit dem Künstlerkollektiv Sputnik als Bildgeber, erzählt von Wien am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Schattenspiele machen den Anfang, später folgen insgesamt 180 teilweise mit künstlicher Intelligenz erstellte und auf Lamellen-Leinwände projizierte Bilder vom alten Wien, die in Grafic-Novel-Stilistik die vier zentralen Figuren auf ihrem Weg durch eine wilde Nacht, bis hinein in die Wiener Unterwelt, zeigen.

Stets ist die Gemachtheit der Erzählung im Blick, sind die projizierten und von einer großartigen Filmmusik (Fiete Wachholtz) versehenen Darstellungen Mittel einer Annäherung, die immer auf das Irrationale abzielt. Diese begegnet in der blinden Kriegslust, die alle zu den Kasernen treibt oder im Nationalismus, dessen Gift im Vorkriegskaiserreich längst Wirkung entfaltet. Vor diesem Hintergrundrauschen sind es die drei von Edelbauer entworfenen sehr speziellen Superhelden, die das Irreale repräsentieren: Der aus Tirol angereiste Bauernknecht Hans (Hardy Emilian Jürgens) trifft in der Hauptstadt des Kaiserreichs auf das sozialdemokratische Mathematik-Genie Klara (Anna Rieser) und den Aristokraten Adam (Fabian Reichenbach). Alle drei sehen, erinnern und erkennen auch im Traum noch das Existente und finden doch keinen Halt in der Realität. Gerti Drassl öffnet ihnen als Psychoanalytikerin das Unterbewusstsein – und dem Publikum bei Bedarf die vierte Wand.

Bemerkenswert ist der Graz-Bezug der Wien-Prodution: Reichenbach und Jürgens schließen 2024 ihr Schauspielstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst ab.

Die Technik des weitgehend nach der Vorlage erzählten Theaterabends ist beeindruckend und hatte offensichtlich Priorität in der Herangehensweise. Dass Edelbauers Stoff künstlerisch noch viel mutigere und tiefer schürfendere Zugänge erlauben würde, statt die von Voges gewählte Bravheit, ist insofern bedauerlich, weil es dem Ensemble zu gönnen wäre, sich stärker darstellerisch in seine Rollen versetzen zu dürfen. Weniger Overhead-Projektor und dafür mehr Energie auf einer Bühne, die sich sinnbildlich weitgehend als Projektionsfläche der Technik unterordnete, hätten womöglich auch mehr Wien-Atmosphäre erzeugt als die allerschönsten Projektionen.