Das Wetter ist unentschlossen an diesem Tag am Zürichsee. Hier steht Schauspielerin Birgit Minichmayr derzeit für den Kinofilm „Wanda, mein Wunder“ von Bettina Oberli vor der Kamera. Ab Donnerstag ist sie in der schwarzhumorigen Komödie „Die Goldfische“ von Alireza Golafshan im Kino zu sehen und bei der Diagonale in Graz feiert der Horror-Kurzfilm „Die Sünderinnen vom Höllfall“ von Veronika Franz und Severin Fiala seine Premiere. Wir treffen die 41-Jährige während einer Drehpause in einem Bistro namens „Glück“ im verschlafenen Ort Meilen. Wenn Minichmayr den Raum mit ihrer prägnanten Stimme entert, kann man sich der Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher sein.


Frau Minichmayr am Dienstag bekommen Sie in Graz den Großen Diagonale-Schauspielpreis für Ihre Verdienste um die österreichische Filmkultur verliehen. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?

BIRGIT MINICHMAYR: Ich habe mich sehr, sehr gefreut und finde es ganz toll. Ich war aber auch sofort nervös. Als ich den kleinen Diagonale-Schauspielpreis bekommen habe, bin ich mit einem rotbäckigen „Danke“ noch davon gekommen. Jetzt muss ich wahrscheinlich mehr sagen.
„Sie zieht einen sofort in ihren Bann – man kann den Blick nicht von ihr lassen, so außergewöhnlich ist ihre Kraft“, erklärte die Jury in einer ersten Stellungnahme. Woher nehmen Sie die Kraft?
Ich glaube, diese Form von Energie wurde mir in die Wiege gelegt. Es gibt Motoren, die sehr hochtourig laufen und ich glaube, ich bin einer davon. Ich nehme das selbst nicht so wahr, dass ich eine kraftvolle Schauspielerin bin. Ich weiß, dass ich eine laute Stimme habe. Das merke ich dadurch, dass mich immer alle maßregeln, ich soll nicht so laut reden.

Lief Ihr Motor auch schon als Kind eher hochtourig?
Ich glaube, dass ich ein sehr lebendiges Kind war. Ich war immer leicht abzulenken, aber nie in einer krassen Unruhe.

Gab es einen Punkt in Ihrem Leben, an dem Sie gewusst haben, dass Sie Schauspielerin werden möchten?
Nein. Ich wollte es, aber nie verbissen. Wäre es nichts geworden, wäre es etwas anderes geworden. Bei der Aufnahmeprüfung in die Schauspielschule habe ich Leute getroffen, die sagten, das sei ihr Leben und kriegen sie das nicht, wissen sie nicht mehr, was sie damit anfangen sollen. So war es bei mir nie. Dafür war ich innen drinnen immer zu schüchtern. Ich bin sehr schüchtern, obwohl das Laute oft mit Selbstbewusstsein gleichgesetzt wird.

Ihre berufliche Biografie ist sehr beeindruckend. Hatten Sie je Ermüdungserscheinungen?
Das berühmte Leisertreten ist während meiner Schwangerschaft eingetreten und ein bisschen auch schon davor, als ich wusste, jetzt habe ich den richtigen Mann gefunden und würde gerne eine Familie gründen und Kinder kriegen. Da habe ich weniger gearbeitet. Ich habe mir aber immer Zeit zum Leben genommen habe.
Wie hat sich eigentlich Ihr Leben verändert, seit Sie Kinder haben?
Es ist ein Spagat, man muss sich alles genau einteilen. Meine Kinder sind, ehrlich gesagt, das Beste, was ich jemals zustande gebracht habe. Es macht Spaß und ist unglaublich schön, mit ihnen zusammen zu sein und auch sehr anstrengend. Dadurch, dass ich spät Mama geworden bin, hatte ich nie auch nur eine Sekunde das Gefühl, dass mich meine Kinder in irgendeiner Art und Weise beschneiden.


Haben Ihre Kinder schon begriffen, dass Sie berühmt sind?
Nein, die sind 13 Monate alt und begreifen gerade erst die ersten Worte wie „da“ oder „Adagen“ – wobei ich nicht weiß, ob sie damit Danke oder Attacke meint.

Nach den Debatten und Aktivismen rund um #MeToo und #TimesUp: Erleben Sie Theater- und Filmwelt als einen Ort, wo große Ungleichheit herrscht?
Ja, finanziell sind wir Frauen immer noch nicht da, wo wir hingehören. Das finde ich eine Schweinerei! Dafür gibt es keine Erklärungen. Es ist ein generelles Problem – und das finde ich so demütigend. Ich möchte, dass diese Ungleichheit gesetzlich verboten wird.


Nun steht fest, dass Sie unter Martin Ku(s)ej wieder als fixes Ensemblemitglied an die Burg zurückkehren. Was ist das Burgtheater für Sie?
Das ist mein Mutterschiff. Von dem bin ich immer wieder weggezogen, aber immer wieder gekommen. Es scheint auf mich sehr magisch zu wirken, es zieht mich immer wieder an. Jetzt passt es perfekt: Ich lebe mit meiner Familie fix in Wien und hatte wieder Lust, mehr Theater zu spielen und einem fixen Ensemble anzugehören – vor allem dem von Martin Kušej.

Was schätzen Sie denn an ihm?
Er hat eine unglaubliche Treue, Loyalität und er ist ein Theaterbesessener. Er ist auch ein großartiger Regisseur und ein toller Koch. Es ist schön, mit ihm abseits der Proben irgendwo abzuhängen, vor allem wenn eine Küche in der Nähe ist.

War die Zeit außerhalb Österreichs für die Außensicht auf das Land wichtig für Sie?
Mir ging es nicht so sehr um die Außensicht, sondern um die Innensicht auf andere Städte. Wie die Volksbühne in Berlin auf mich gewirkt hat, in welchen Zauberbann ich da gekommen bin, ist kein Geheimnis. Ich war sehr jung, als ich ans Burgtheater kam. Ich hatte das Gefühl, keine Luft zu kriegen und konnte mir das nicht vorstellen, ein Leben lang dort zu sein.