Nebel:
Der Umwelt
ist schwindlig.

Regen:
Der See
unter Akupunktur.

Wind:
Der Halm
lehnt sich an den Halm,
doch der – lehnt ab.

„Punktierungen“ nannte Ales Rasanau seine haiku-artigen Gedichte im Band „Das dritte Auge“, der 2008 im Engeler-Verlag in Bern erschien. Er zählte zu den ungewöhnlichsten und weltweit bekanntesten Autoren aus Belarus. Er war ein Dichter „von der stillen Sorte“, wie seine slowakisch-schweizerische Schriftstellerkollegin Ilma Rakusa ihn im Vorwort dieses Bandes sieht. Nun ist Rasanau im Alter von 73 Jahren verstorben.

Das Schreiben war Rasanau quasi in die Wiege gelegt, denn auch sein Vater schrieb Gedichte – in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Mauthausen, denen dieser wie durch ein Wunder entkam. Er selbst verfasste schon als Mittelschüler lyrische Texte. Auf dem Land aufgewachsen, zog er für sein Philologiestudium nach Minsk. Dort galt er bald als Rebell, weil er kurz nach dem Einmarsch der russischen Truppen 1968 in Prag gegen die Russifizierung protestierte und für seine Fakultät Unterricht in Weißrussisch forderte. Die Exmatrikulation war die Folge. Dank Maksim Tank, der zu der Zeit Chef des Obersten Sowjet war, und anderer Autorenkollegen wurde es Rasanau aber erlaubt, sein Studium am Pädagogischen Institut von Brest-Litowsk fortzusetzen.,

Rasanau wurde Dorflehrer und arbeitete in den 1970er- und 1980er- Jahren als Zeintschriftenredakteur und Verlagslektor. Außerdem begann das absolute Sprachentalent als Übersetzer ins Weißrussische, zum Beispiel aus dem Bulgarischen, Slowenischen, Mazedonischen, Georgischen, Serbokroatischen, Deutschen, Polnischen, Tschechischen, Lettischen und Englischen, darunter „Ein Sommernachtstraum“ und zwei weitere Komödien von William Shakespeare.  

Seine geradlinige politische Sicht und sein Festhalten an seiner Muttersprache machte Rasanau zum Regimegegner. Anfang des Jahrtausends gewährte ihm die Stadt Hannover zwei Jahre lang Gastrecht. 2003 erhielt er den Herder-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung in Hamburg und war im selben Jahr von Februar bis Mai „Writer in Exile“ in Graz. Im Cerrini-Schlössl auf dem Schloßberg verfasste er erstmals Texte auf Deutsch, die in dem mittlerweile nur noch antiquarisch erhältlichen Buch „Wortdichte“ in der Steirischen Verlagsgesellschaft erschien. „In Summe entstand solcherart ein persönliches Wörterbuch eines Reisenden, der sich mit Begriffen und Worten des Gastlandes sowie der Gastsprache auseinandersetzt“, heißt es in dem von Max Aufischer und der Kulturvermittlung Steiermark herausgegebenen Band, „Rasanau skizziert punktgenaue Bilder, die Ausgangsmotive für kritische Reflexionen genauso darstellen wie Brücken für eine gemeinsame kreative Sprach- und Verständigungsanalyse.“