Mitunter ist es höchst seltsam, wie hartnäckig fremdsprachige Autorinnen und Autoren und deren Werke im deutschsprachigen Raum ignoriert werden. Wobei Hubert Mingarelli ein eigentlich typisch österreichisches Schicksal ereilte. Er musste erst sterben, um vielleicht doch noch die ihm gebührende Anerkennung zu erhalten. Vor einem Jahr erlag der französische Schriftsteller, in seiner Heimat mit etlichen wichtigen Preisen ausgezeichnet, im Alter von 64 Jahren einem Krebsleiden. Dem Verlag ars vivendi, spezialisiert auf literarische Kostbarkeiten, ist es zu verdanken, dass nun mit „Ein Wintermahl“ erstmals ein Roman von Mingarelli übersetzt wurde.

Letzte Kriegstage

Die sprachliche Reduziertheit und der knappe Erzählstil lassen ihn wie ein Missing Link zwischen Camus und Beckett erscheinen. Mingarelli führt vor Augen, welche menschlichen Abgründe sich auftun können und in welche Absurditäten das Dasein führen kann.
Schauplatz des Romans ist eine Kaserne im polnischen Niemandsland in den Endphasen des Zweiten Weltkriegs. Es herrscht tiefster Winter, die Kälte lässt auch Seelenreste, sofern überhaupt noch vorhanden, zu Frost erstarren. Deutschland ist längst auf der Verliererseite gelandet, aber die Tötungsmaschinerie der Nazis läuft weiterhin auf Hochtouren. Drei Wehrmachtssoldaten, von denen einer der Ich-Erzähler ist, wollen sich den Massenexekutionen entziehen. Als einzige Alternative bleibt die „Jagd“ – auf flüchtige Juden. Nach stundenlanger Suche hat das Trio Erfolg, in einer Erdhöhle spüren sie einen Flüchtling auf.

Trügerische Lakonie


Gesprochen wird kaum, die belanglosen Dialoge sollen nur die gespenstische Stille kurz stören. Auf dem Rückweg landet das Quartett halb verhungert in einer desolaten Hütte. Alles, was brennbar ist, wird verheizt, um eine Suppe zu kochen. Nach einigen Debatten erhält auch der Gefangene eine Portion.
Es passiert wenig, und doch geschieht sehr viel in dieser in trügerischer Sachlichkeit erzählten Geschichte. Der ruhige, mitunter lakonische Ton verstärkt all das Grauen und die Apathie von Menschen, die gestorben sind mitten im Leben, innerlich zu Tode kommandiert. Ein kleines und doch ganz großes und eindringliches Werk, das seine Leserschaft bereits mit dem ersten Satz in Gefangenschaft nimmt.

Lesetipp: Hugo Mingarelli. Ein Wintermahl. ars vivendi, 142 Seiten, 18,90 Euro.

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