Die meisten kennen ihn als Geschäftsführer der IG Autorinnen und Autoren, bestens vernetzten Kulturpolitik-Experten und engagierten Lobbyisten für bessere Arbeitsbedingungen der Kulturschaffenden. Dass Gerhard Ruiss auch ein eifriger Lyriker und Musiker ist, wird nun mit einem Preis der Stadt Wien hervorgehoben: Ruiss erhält den diesjährigen, mit 10.000 Euro dotierten, H. C. Artmann-Preis.

"In präziser Wahrnehmung und Äußerung geht die Dichtung von Gerhard Ruiss auf soziale Zustände ein, auf Beziehungen zwischen Privatem und Politischem, auf Sprachmasken", begründet die Jury (Thomas Eder, Petra Ganglbauer und Klaus Zeyringer) ihre Wahl. "In konsequenter Manier findet Ruiss adäquate Klang-Formen der Verknappung und Rhythmisierung, auch im Dialekt. Seine vielschichtigen Gedichte spielen mit Sprachebenen, reißen Phrasen auf, transponieren (im Wolkenstein-Projekt) Früheres ins Heute. So hat Gerhard Ruiss über mehr als drei Jahrzehnte poetische Gesellschaftsbilder geschaffen, ein originelles lyrisches Werk, das (wie die "Kanzlergedichte") auch politisch zu denken zu geben vermag". Die Preisverleihung findet am 6. November statt.

Literaturpreis der Industrie

Reinhard Kaiser-Mühlecker (37) erhält heuer den mit 15.000 Euro dotierten "Literaturpreis der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans". "Die Romane und Erzählungen von Reinhard Kaiser-Mühlecker führen in Regionen, in denen vieles stillsteht, weil der Anschluss an die jüngsten Modernisierungsprozesse längst verloren gegangen ist; und sie nehmen Figuren ins Visier, die gewöhnlich als Verlierer oder Entwurzelte angesehen werden. Aber aufs Korn nehmen sie die gängigen Wahrnehmungen, indem sie scheinbar stichhaltige Vereinbarungen mit äußerst verdichteten Erkundungen konfrontieren, die um den Zusammenhang von Geschichte und Mentalität oder Landschaft und Mentalität kreisen, ohne auf eine Pointe abzuzielen", begründete die Jury (Marianne Gruber, Johann Holzner und Barbara Neuwirth) ihre Wahl.

"Mit einer poetischen Akribie sondergleichen, die an Stifter, Hamsun, Tumler und Handke erinnern mag, doch seit langem schon als ureigenes Markenzeichen der Bücher von Kaiser-Mühlecker gelten darf, wird gegen jedes vorschnelle Urteil Einspruch angemeldet und stattdessen jede Art die Welt zu betrachten, nicht zuletzt auch jede große Erzählung selbst unnachgiebig einer Nachprüfung unterzogen", so die Jury weiter.

Geboren 1982 in Kirchdorf a. d. Krems, wuchs Reinhard Kaiser-Mühlecker im oberösterreichischen Eberstalzell auf und studierte später Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien. Sein Debütroman "Der lange Gang über die Stationen" erschien 2008, es folgten u.a. "Magdalenaberg" (2009), "Wiedersehen in Fiumicino" (2011), "Roter Flieder" (2012) und "Schwarzer Flieder" (2014). 2016 stand er mit seinem Roman "Fremde Seele dunkler Wald" auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Im Vorjahr erschien sein Roman "Enteignung".

Der seit 1962 vergebene Anton-Wildgans-Preis wird auf Vorschlag einer unabhängigen Jury einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin der jüngeren oder mittleren Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft verliehen, "dessen oder deren Werk von hervorragender Relevanz für die literarische und gesellschaftliche Korrelation unserer Zeit ist". Unter den Preisträgern befinden sich Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Michael Köhlmeier, Arno Geiger, Sabine Gruber, Olga Flor, Robert Seethaler und Erich Hackl. Im Vorjahr wurde Daniel Kehlmann ausgezeichnet und hielt eine Aufsehen erregende Dankesrede, in der er - zwei Tage vor dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos - das Ende der türkis-blauen Koalition forderte.

Reinhard Kaiser-Mühlecker wird im Dezember mit dem Wildgans-Preis ausgezeichnet
Reinhard Kaiser-Mühlecker wird im Dezember mit dem Wildgans-Preis ausgezeichnet © (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)