"Wann, wenn nicht jetzt, sollte er Träume haben?“ Wie eine sprachliche Leitmelodie zieht sich die Frage durch die sechs Erzählungen, an denen Udo Jürgens bis knapp vor seinem Tod im Dezember 2014 arbeitete. Kurz zuvor wurden mit dem S. Fischer-Verlag etliche Details geklärt, auch der Titel – „Spiel des Lebens“ – wurde fixiert. Dass es dennoch fast fünf Jahre dauerte, ehe das Buch erscheinen durfte, lag an zermürbenden Erbstreitigkeiten. Wie schon in seinem 2004 veröffentlichten Roman „Der Mann mit dem Fagott“ stand ihm auch diesmal seine Lebensgefährtin MichaelaMoritz als gewiss strenge Lektorin zur Seite, und es ist mehr als fair, dass sie nun auch als Mitautorin aufscheint.

Mutmacher und Tröster

Eigentlich sind es durchwegs Balladen und Chansons über die Licht- und Schattenseiten des Lebens, in zutiefst poetischer Langversion. Sie handeln vom Scheitern, vom Straucheln, aber auch vom unbändigen Willen, weiterzumachen und zu versuchen, seine Sehnsüchte eines Tages in die Tat umzusetzen. Bester Beleg dafür ist die Titelgeschichte, die zurück an das Ende der Fünfzigerjahre und nach Las Vegas führt. Der Ich-Erzähler, finanziell ohnehin fast schon am Ende, riskiert an Spielautomaten seinen letzten Dollar, um eine Stehplatzkarte für ein Konzert von Sammy Davis Jr. zu ergattern. Er scheitert. Mehr als zwanzig Jahre später kann er sich, längst als Musiker weltweit gefeiert, die Karte problemlos leisten, für ein Konzert des US-Weltstars in München. Nach einem furiosen Auftritt kehrt Sammy Davis für eine Zugabe noch einmal zurück auf die Bühne – und präsentiert die englische Version eines der besten Lieder von Udo Jürgens. „If I Never Sing Another Song“ – „und sänge ich nie wieder ein weiteres Lied“.

Auch als Autor, als Mutmacher, als Tröster, der an einer Stelle von der lächelnden Traurigkeit schreibt, gibt Udo Jürgens alles, er gibt auch alles preis, was in ihm steckt. Als gäbe es nur dieses eine Buch, diese eine Geschichte für ihn. Wobei er seinen weltweiten Erfolgen als Musiker oft skeptisch gegenüberstand. Er glaubte nicht daran, viel an der aus den Fugen geratenen Zeit ändern zu können. Umso wichtiger waren ihm die Geschichten, die ihren Anfang mehrmals durch Zeitungsmeldungen nahmen. „Wenn ich schon nichts bewirken kann, dann will ich wenigstens zu jenen gehören, die den Mund aufgemacht haben.“

Hier intoniert, einmal noch, ein hochsensibler und einfühlsamer Künstler auf der Klaviatur des Lebens Sprachkompositionen, die ebenso unvergänglich sind wie seine Lieder.

Buchtipp: Udo Jürgens, Michaela Moritz: "Spiel des Lebens". S. Fischer, 224 Seiten, 20,60 Euro.