Seit Jahren beruft sich der österreichische Schriftsteller Robert Menasse in seinen Reden und Essays zu Europa und der Überwindung der Nationalstaaten wiederholt auf den 1982 verstorbenen Walter Hallstein. Der Politiker war ab 1958 erster Kommissionsvorsitzender des EU-Vorläufers Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Wie die deutsche Zeitung "Die Welt" berichtet, sollen Zitate, die Menasse in dem Zusammenhang verwendet, aber erfunden sein.

Als Beispiel nennt die Zeitung etwa jenes Zitat: "Die Abschaffung der Nation ist die europäische Idee!". Das hat Menasse Hallstein 2013 in einem Beitrag für die "FAZ" in den Mund gelegt. Besonders pikant: Verfasst hatte Menasse jenen Artikel gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot.

Die Reaktion

Nach der Publikation des Artikels konfrontiert räumte Menasse gegenüber der "Welt" ein, gesagt habe Hallstein manches "nie so zugespitzt, man müsste lange Passagen zitieren, um diese Position ableiten zu können". Der Sinn aber, so der Wiener, sei "korrekt". Sein Standpunkt: "Was fehlt, ist das Geringste: das Wortwörtliche."

Dass besagte Zitate Menasses die Position Hallsteins korrekt wiedergeben, dem widersprechen allerdings manche, etwa der deutsche Historiker Heinrich August Winkler. Für einen Dichter sei diese Art des Zitierens zulässig – im Gegensatz zu einem Wissenschafter oder Forscher, beharrt Menasse weiter auf seinem Standpunkt. "Was kümmert mich das ‚Wörtliche‘, wenn es mir um den Sinn geht." Zuletzt war der preisgekrönte Autor Menasse (Die Hauptstadt) federführend an der Ausrufung der Europäischen Republik im Zuge des European Balcony Project beteiligt.