Japan 1945, das Land steht knapp vor dem totalen Zusammenbruch. Ein Intellektueller hat sich mit einer Gruppe junger Offiziere verabredet, ein Attentat auf den Kaiser zu verüben. Als Zeichen für einen nationalistischen Aufstand gegen die absehbare Kapitulation. Der Plan zerschlägt sich, der Mann fährt bei Hochwasser auf einen Fluss und findet den Tod. Sein zehnjähriger Sohn Kogito wird Zeuge des Geschehens.

Kogito Choko ist das Alter Ego des Schriftstellers Kenzaburo Oe, Hauptfigur von einigen seiner stark autobiografischen Romanen. In „Der nasse Tod“ kehrt Choko an den Ort seiner Kindheit zurück, getrieben vom Wunsch, einen Roman über den Vater zu schreiben, ein Alterswerk, das sein ganzes Schaffen „auf den Kopf stellt“, wie es Oes Freund, der Literaturwissenschaftler Edward W. Said, formuliert hat.
Doch Choko bleibt das versagt. Er lernt dafür Mitglieder einer avantgardistischen Theatergruppe kennen. Oe beschreibt nicht nur Choko, sondern auch diese neuen Bekanntschaften als von Literatur Besessene. Geradezu manisch wird da geschrieben, notiert, kopiert, gelesen. Das Erzählen und Schreiben wird zur Strategie, dem Leben Sinn zu verleihen.
Erschütternd ist Oes Selbstbeschreibung als armseliger, hilfloser Alter, der seinen geistig behinderten Sohn seelischen Qualen aussetzt und nicht die Kraft aufbringt, sich mit ihm auszusöhnen. Das Faszinierende an „Der nasse Tod“ bis hin zum verstörenden Finale ist der unsentimentale, gelassene Ton, in dem Oe sein Leben schonungslos vor dem Leser ausbreitet. „Warum machen Sie Ihre Welt so klein?“, wird Choko/Oe einmal gefragt, weil er nur mehr Autobiografisches zuwege bringe. Man möchte mit einer der literarischen Figuren antworten, die den „Nassen Tod“ bevölkern. Ein Lehrer gibt einem Schüler vor seinem Selbstmord das mit, was als Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Literatur an sich gelten könnte: „Erinnern Sie sich bitte. So habe ich gelebt.“

Kenzaburo Oe. Der nasse Tod. Roman über meinen Vater. S. Fischer,
432 Seiten, 25,70 Euro.