Heute, Dienstag, wird auf der Frankfurter Buchmesse
auch der Gastlandauftritt Georgiens eröffnet. An die 180 neue
Übersetzungen georgischer Literatur ins Deutsche wurden aus diesem
Anlass gefördert. Im Folgenden ein kurzer Überblick über weitere
Neuerscheinungen.

"Das erste Gewand" von Guram Dotschanaschwili

Es gilt als das meistgelesene Buch in Georgien, als "ein moderner Klassiker der georgischen Literatur und eine wunderschöne Fabel über die Liebe und die Freundschaft, über das Leben und die Identität" (Nino Haratischwili): Guram Dotschanaschwili, 1939 in Tbilissi geboren, begann 1966 mit der Arbeit an seinem ersten Roman "Das erste Gewand" und beendete sie erst 12 Jahre später. Die Reise des Dorfbuben Domenico in die große, weite Welt führt in drei sehr unterschiedliche Städte, in denen er die ganze Bandbreite der menschlichen Natur kennenlernt. 40 Jahre nach seinem Erscheinen ist das 700-seitige Epos nun erstmals auf Deutsch zu lesen. "Man kann in der modernen Literatur lange suchen nach einer Welterzählung vergleichbarer Fülle, literarischer Komplexität, spiritueller Tiefe, metaphysischer Komik und prophetischer Ernsthaftigkeit", hieß es dazu in der "Zeit". Aber auch: "Die Lektüre ist eine Herausforderung." Guram Dotschanaschwili:"Das erste Gewand", übersetzt von Susanne Kihm und Nikolos Lomtadse, Hanser, 696 Seiten, 32,90 Euro

"Das Birnenfeld" von Nana Ekvtimishvili

Die 1978 in Tiflis geborene Nana Ektvimishvili hat eine spannende Biografie: Sie studierte an der Filmhochschule Babelsberg und drehte mit ihrem Mann Simon Groß zwei vielfach preisgekrönte Filme: "Die langen hellen Tage" (der georgische Auslandsoscar-Beitrag 2014) und "Meine glückliche Familie" (2017). Sie lebt in Berlin und in Tiflis und betreibt gemeinsam mit ihrem Mann mehrere Eissalons in ihrer Heimat. Ihr 2015 erschienenes Romandebüt "Das Birnenfeld" wurde in Georgien gleich mehrfach ausgezeichnet. Schauplatz ist ein Internat für geistig behinderte Kinder in Tiflis, ein Relikt aus Sowjetzeiten, das in Wahrheit ein Aufbewahrungsort von im Stich gelassenen Kindern ist. Es herrscht eine Mischung aus Anarchie, Kasernenhof-Mentalität und sympathischem WG-Chaos. Der Alltag ist von sexueller Ausbeutung ebenso geprägt wie von Träumen einer besseren Welt. Als ein amerikanisches Ehepaar anreist, um einen Buben zu adoptieren und in die USA zu holen, fiebert das ganze Internat mit. Doch ganz so einfach ist es nicht, alles hinter sich zu lassen...
Nana Ekvtimishvili:"Das Birnenfeld", Deutsch von Juliane Dengg und Ekaterine Teti, Suhrkamp Verlag Berlin, 220 Seiten, 16,95 Euro

"Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird" von Iunona Guruli

"Biete: 28 Jahre alte, aber gut erhaltene grüne Augen, verschimmelte Träume und gebrochenes Herz mit interessantem Inhalt. Preis: Verhandlungsbasis." Kleinanzeigen wie diese streut Iunona Guruli zwischen ihre Kurzgeschichten. Guruli, 1978 geboren in Tiflis, studierte zunächst Schauspiel und Journalistik, übersiedelte 1999 nach Deutschland, wo sie Politik und Geschichte studierte. Heute lebt sie als Übersetzerin für Deutsch und Georgisch in Berlin. Ihre 2015 in Georgien erschienenen Erzählungen hat sie nun selbst ins Deutsche übersetzt: traumähnliche Geschichten, in denen junge georgische Frauen von heute im Zentrum stehen, in denen Rotkäppchens böser Wolf wieder seine Zähne fletscht, oder ein Vogel zum Schutzengel wird. Dabei kontrastiert der raue Ton mit zarten Gefühlen. Am Ende sind viele Hoffnungen zerstört. "Verloren: Den Glauben. Auch daran, dass ihn mir jemand zurückgibt." Derzeit arbeitet Iunona Guruli an ihrem ersten Roman. Auf Deutsch.
Iunona Guruli:"Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird", btb, 220 Seiten, 20,60 Euro

"Georgien - Eine literarische Reise"

Auf Initiative von Autorin Nino Haratischwili und auf Einladung des Goethe-Instituts Georgien sind sechs deutsch-georgische Autorentandems durch Georgien gereist und haben ihre gemeinsamen Erfahrungen zu Papier gebracht. Vom Gedicht bis zum Essay ist alles dabei. "Die Texte zeugen von Erlebnissen, die man nur haben kann, wenn man sich dem Fremden gänzlich ausliefert und mit dem unschuldigen und unvoreingenommenen Blick eines Kindes staunt und beschreibt, anprangert und sich begeistern lässt", fasst Haratischwili zusammen. Originell illustriert von Julia B. Nowikowa ist das Buch ein schönes Resultat eines interessanten Projekts.
"Georgien - Eine literarische Reise",Beiträge u.a. von Fatma Aydemir, Lucy Fricke, Ulla Lenze, Tamta Melaschwili, Katja Petrowskaja, Stephan Reich, Volker Schmidt und Irma Tawelidse. Übersetzt von Rachel Gratzfeld und Sybilla Heinze, Frankfurter Verlagsanstalt, 220 Seiten, 25.70 Euro

"40 Tage Georgien" von Constanze John

40 Tage hat die Reiseschriftstellerin Constanze John (geb. 1959) in Georgien verbracht. Ihre Reiseerlebnisse, Gespräche, Begegnungen sind ein guter Einstieg, um dem Land und seiner Bevölkerung näher zu kommen. Lebendig geschrieben, getragen von großer Offenheit und intensiver Zuneigung zu den Menschen, deren Gastfreundschaft sie nicht müde wird zu rühmen. Viel Hintergrundwissen, im Plauderton eingestreut, und viele selbst geschossene Fotos abseits klassischer touristischer Highlights machen Lust auf das kleine Land, das zwischen Schwarzem Meer und hohen Kaukasus viel zu bieten hat.
Constanze John:"40 Tage Georgien", DuMont Reiseabenteuer, 404 Seiten, 16.50 Euro