Er sei „ein Meister der poetischen Verdichtung, ein Autor, der seine Worte lange wiegt und lange wägt, bevor er sie aus den Händen gibt“, heißt es in der Begründung der Jury. Der mit 15.000 Euro dotierte Christine-Lavant-Preis geht heute im Rahmen einer auch vom ORF übertragenen Matinee an den Schweizer Schriftsteller Klaus Merz (73) . Er debütierte 1967 mit dem Gedichtband „Mit gesammelter Blindheit“ und hat bisher weit über zwanzig Publikationen mit Gedichten, Erzählungen oder Essays veröffentlicht, seine Texte handeln oft von Außenseitern und Randständigen. 2015 feierte der Film „Merzluft“, der die Texte der Schweizers zum zentralen Thema hat, bei den Solothurner Filmtagen Premiere.


Herr Merz, Sie gelten als Meister der Verdichtung, der seine Literatur sehr präzise umsetzt. Sind Sie manchmal auch ganz spontan in Ihrem Schreiben?
KLAUS MERZ: Ja, auch das Spontane ist mir natürlich wichtig, ein Geschenk, nur will auch „es“ noch gewogen oder zumindest „gut abgehangen“ werden, wie wir es von unserem Bündner Trockenfleisch sagen, bevor es „die Firma“verlässt.


Sie bekommen den Christine-Lavant-Preis. Wie vertraut sind Sie mit dem Werk der Kärntnerin?
Als Neuzehnjähriger ist mir Christine Lavant erstmals aufgefallen, als ich ihr Gedicht „Kauf uns ein Körnchen Wirklichkeit“ in einer Anthologie dick ankreuzte. Später las ich „Das Kind“, weitere Gedichte, „Das Wechselbälgchen“. Und nun, angestoßen durch den Preis, stieg ich fasziniert in die Gesamtausgabe bei Wallstein ein, den Hut immer wieder von neuem lüftend vor der großen Dichterin und deren aktueller Herausgeberschaft.


Sehen Sie Gemeinsamkeiten im literarischen Schaffen? Normabweichung, Krankheit und Tod scheinen mir auch zentrale Motive in Ihrem Werk zu sein.
Ja, diese Parallelen gibt es tatsächlich, vor allem auch im widerständig poetischen Umgang mit den existenzielle Abschüssigkeiten.
In Ihrem bekanntesten Werk „Jakob schläft“ geht es um einen behinderten Bruder. Auch Ihr eigener, früh verstorbener Bruder Martin war behindert. Wie hat das Ihr Schreiben beeinflusst?
Als „Hüter“ meines kleinen behinderten Bruders, der später übrigens auch ganz wundersame Gedichte schrieb, fiel mir früh auf, dass das Normale zuweilen abartiger sein kann als das sogenannt Anormale. Und diese leicht verschobene oder erweiterte Sicht auf die Wirklichkeit kommt der Literatur eigentlich immer zugute, nicht nur bei Lavant oder mir.


Im Jänner erscheint ein neues Buch. In „firma“ schlagen Sie laut Verlag „neue Wege der Dichtkunst“ ein. Was sind denn diese „neuen Wege“?
Vielleicht nicht „neue“, aber wohl eigene Wege, indem in poetischer Prosa eine ganze Firmengeschichte punktuell festgehalten wird, die sowohl ein Licht auf die innere Welt des Autors wie auch aufs äußere Zeitgeschehen wirft. Und mit derselben Handschrift – oder Unterschrift, „firma“ – führt der zweite Teil des Buches dann in Form von Gedichten noch weiter „über den Zaun hinaus“.


Sie veröffentlichen beim Tiroler Haymon-Verlag. Wie kommen Sie als Schweizer zu einem österreichischen Verlag?
Vor einem Vierteljahrhundert, ich war noch Autor beim Ammann Verlag, erhielt ich von Michael Forcher, dem Gründer des Haymon Verlages, eine Anfrage. Und da mir bei Ammann nie richtig wohl geworden war, wagte ich den Schritt zu Haymon, den ich bis heute nie bereute.


Die Liste der Auszeichnungen, die Sie bekommen haben, ist beeindruckend. Welcher Preis bedeutet Ihnen am meisten?
Da ich von diesen saisonalen „Shortlists“ und Buchhandelspreisen eigentlich nicht so viel halte, freut es mich natürlich immer, wenn die Namensgeber der Preise etwas tiefer in die literarische Welt zurückreichen, sei das nun mit Hölderlin, Keller, Hesse oder eben Lavant.