Er ist einer der Leisen des Literaturbetriebes: „Will man wissen, wie die Welt funktioniert, liest man am besten bei Hüttenegger nach“, heißt es einmal in einer Würdigung des „Welt- und Selbstbetrachters“. Detailgenau, unaufdringlich und empfindsam sind die Alltagsschilderungen des Einzelgängers, der sich der „Nisomanie“, der Inselsucht buchstäblich verschrieben hat.

Wie begann Ihre Leidenschaft für die Inseln dieser Welt, die Sie auch in zahlreichen Reise-Essays, u.a. für die Neue Zürcher Zeitung, ausgelebt haben?
HÜTTENEGGER: Begonnen hat alles mit einem MERIAN-Heft, in dem ich den Essay eines griechischen Autors über die Insel Chios gelesen habe. Eine Insel hat ja mit Selbstfindung, mit Selbstverwirklichung zu tun, ist eine autonome Existenz. Das passt zu mir.

Sie haben vier Bücher mit Ihren Reiseerzählungen herausgebracht, sind von den Hebriden bis zur Lagune von Grado unterwegs gewesen. Gibt es eine Lieblingsinsel?
Ich habe den Norden und den Süden bereist. Der Norden ist meine große Liebe. Wie es sich für eine große Liebe gehört, eine unerwiderte. Aber ich bin erfüllt von all meinen Inselerfahrungen, von der Erinnerung. Die ist so stark, dass es eigentlich keine weißen Flecken mehr für mich auf der Landkarte gibt.

In Ihrem jüngsten Buch „Der Fisch im Wasser“, dem dritten Band Ihrer autobiografischen Trilogie, kommt auch ein etwas satirischer Besuch eines Inselforscher-Kongresses vor. Es ist von der „letzten Insel“ die Rede und vom „letzten Fisch“, den Sie fangen. Das klingt alles recht melancholisch.
Wenn man den Horizont sieht und dahinter die Anderswelt, dann muss man doch melancholisch werden! Aber ich suche immer noch schöne Erlebnisse und wahre Worte.

Sie sind in derSteiermark geboren, leben seit Ihrem 30. Lebensjahr in Kärnten und in Wien, waren immer viel unterwegs. Wo fühlen Sie sich zuhause?
Ich habe eigentlich vier Heimaten: Meine GeburtsheimatObersteiermark, die Jünglingsheimat Graz, meine Arbeitsheimat Kärnten und meine Weltheimat Wien, wo ich gerne bin, um aufzutanken, Kultur zu genießen.

Ihre Arbeitsheimat Kärnten, genauer das Musil-Institut, hat vor vier Jahren Ihren Vorlass angekauft. Abgesehen vom Finanziellen, was bedeutet Ihnen das?
Für mich ist das vor allem ein Ausdruck von Achtung. Als Herr Amann mit seinem Sohn nach Wien gekommen ist, um meine handschriftlichen Manuskripte, die Typoskripte, Notizen und Korrespondenz abzuholen, war das schon sehr wertschätzend. In Graz, wo ich in meiner Jugend war, interessiert das niemanden mehr.

 Warum ist der Kontakt zur steirischen Avantgarde abgerissen?
Zeit und Ort waren zu Beginn meiner Schriftstellerlaufbahn optimal, das Forum Stadtpark und die manuskripte haben mir die besten Anfangsmöglichkeiten geboten. Aber auf Dauer habe ich da keine Entwicklungsmöglichkeiten gesehen und bin nach Wien gegangen. Entwicklung ist das Schlüsselwort für einen schöpferischen Beruf, man muss wachsen können.

Ist Ihr autobiografisches Schreiben abgeschlossen?
Das hat mit dem Tod meiner Mutter begonnen, wurde dann in einem organischen Prozess zu drei Bänden, die ineinander verzahnt sind. Aber ich sehe den hellen Schein am Horizont, eine Erweiterung zur Tetralogie istdenkbar. Mein Schreiben ist ja mein Existenzberechtigungsausweis, dafür bin ich auf die Welt gekommen.