Es ist das ewige Märchen-Dilemma: Der Mensch schaut in den Spiegel und fragt sich: Wer ist schöner, schneller, stärker? Sss, das erinnert ein bisschen an das Züngeln einer Schlange, aber die hätte im Gegensatz zum Menschen den Braten längst gerochen: Der ewige Wahnsinn von Expansion und Expression – kann das gut gehen? Autor Florian Werner meint: Nein, man halte sich besser an die Tierwelt, dort kann man in Sachen philosophischer Lebensführung noch so einiges lernen.

Da wäre etwa der Axolotl, der mexikanische Schwanzlurch, der auf ewig in seiner Metamorphose verharrt und nie das finale Ende erreicht. Ach, was könnte er für eine prachtvolle Amphibie werden. Aber er will nicht. Er wackelt mit seinen Bürsteln links und rechts und bleibt ein Axolotl. Philosophisch gesehen ist das sehr weise. Er verweigert sich nämlich der Illusion einer „zweiten Welt“, wie sie der Philosoph Robert Pfaller entworfen hat. Eine Art Parallelwelt, in der wir mit unseren Tagträumen leben und der Alltagswelt, der „ersten Welt“, entfliehen. Bis dahin ist alles gut, doch wehe, wir versuchen, diese Utopien zu verwirklichen! So sollten wir wissen: Die Realität ersetzt die schöne Illusion. Und wie der Axolotl weiß, ist die Illusion immer schöner als die Realität. Im Gegensatz zum Menschen hat der Axolotl das kapiert. Er bleibt in der ersten Welt und träumt davon, dass er eine „zweite Welt“ haben könnte – wenn er wollte, aber wir wissen: Er will nicht.

Tiere sind die besseren Philosophen: Autor Florian Werner
Tiere sind die besseren Philosophen: Autor Florian Werner © Carolin Saage

Vergessen wir nicht auf den Igel, der um ein großes Geheimnis weiß: Nichts würde die Räder des Kapitalismus so schnell zum Stehen bringen wie eines: fünf Monate Winterschlaf! Warum also nicht hin und wieder einigeln?

In der Ruhe liegt die Kraft, das kann man auch vom Krokodil lernen. Wer genau hinsieht, erkennt, dass sich der scheinbar regungslose Brocken im Wasser in der hohen Kunst des Daoismus übt. Das Reptil praktiziert „wu-wei, die Kunst, intuitiv zur richtigen Zeit das Richtige zu tun“.

Für das Tier gilt: Seine Attacken müssen sich rechnen. Folglich muss vermieden werden, was der Mensch perfekt beherrscht: unnötigen Übereifer. Was die Trottellumme betrifft: Das ist eine hohe Kunst. Küken, die ohne fliegen zu können, über Klippen ihrem nächsten Entwicklungsschritt entgegenspringen. Was würde der Mensch, am Abgrund stehend, sagen? Hab ich einen Vogel?

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