Wenn Schriftsteller sich zu Ausflügen ins Ratgeberfach hinreißen lassen, ist oft Vorsicht geboten. Dieser Tage erscheinen jedoch gleich zwei neue Sachbücher, die ihren belletristischen Geschwistern in ihrer Qualität in (fast) nichts nachstehen. Beide widmen sich im Kern ihrer neuen Werke der Innenschau: Thomas Glavinic lotet das Thema Selbstverteidigung aus, Monika Wogrolly gibt Beziehungstipps.

Thomas Glavinic wagt einen Ausflug ins Ratgeberfach. Das heißt aber nicht, dass er seinem literarischen Stil untreu werden würde: "Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung" liest sich nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Anekdoten aus dem Leben des Autors streckenweise wie "Das bin doch ich", Einschübe wie "Merke: Wer einen Kampf gewinnt, muss sich gegenüber der Staatsmacht verantworten." oder "Merke: Ihre Gesundheit ist wichtiger als Ihr Stolz." erinnern stark an die launigen Merksätze aus dem Roman "Wie man leben soll".

Bei allen amüsanten Sidesteps ist das 218 Seiten starke Buch aber vor allem eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Selbstverteidigung, das über ein paar Kampfsport-Tricks hinausgeht. "Natürlich lernt man keinen Kampfsport durch Lesen, aber wenn es vor allem die physische Ebene ist, die Sie an Selbstverteidigung interessiert, wird Ihnen dieses Buch den Weg zu dem für Sie passenden Kampfsport weisen. Und wenn Sie sich auf geistiger Ebene schützen möchten und lernen wollen, sich besser durchzusetzen, sollten Sie das Buch erst recht lesen."

So widmet sich der 45-Jährige zunächst dem Thema Eigenwahrnehmung, analysiert Täter-Opfer-Beziehungen und spricht auch über bestimmte Orte als prädestinierte Anziehungspunkte für Gewalt. Es geht um Angst, um Worte und um Psychologie. Erst nach rund 150 Seiten geht es dann konkret um Kampftechniken wie Karate, Judo oder Jiu-Jitsu, die Glavinic auf wenigen Seiten vorstellt, Vor- und Nachteile erläutert und nicht selten mit eigenen Erfahrungen anreichert.

Und so ist "Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung" nicht nur ein weiterer Ratgeber in Zeiten geschürter Angst und steigender Waffenkäufe, sondern eine humorvolle und zugleich tiefernste Auseinandersetzung mit dem "Tag X", an dem man sich tatsächlich einmal verteidigen muss. Glavinics Zeilen lassen schmunzeln und die Stirn runzeln, über die eigene Einstellung zum Thema Gewalt nachdenken und sind - egal mit welchem Motiv man sich an die Lektüre herangemacht hat - auch für Fans von Glavinics Romanen mit Bestimmtheit ein guter Kauf.

Thomas Glavinic: "Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung", Piper Verlag, 218 Seiten, 15,50 Euro.

"Die Beziehungsformel" von Monika Wogrolly
"Die Beziehungsformel" von Monika Wogrolly © KK

Seit Monika Wogrolly ihren letzten Roman "Rabenbraten" veröffentlicht hat, sind 13 Jahre vergangen. Seither hat sich die Grazer Autorin vor allem dem Aufbau ihrer psychotherapeutischen Praxis verschrieben und Projekte wie das "Erste Grazer Philcafé" oder das Magazin "Living Culture" realisiert. Darüber hinaus tritt die 50-jährige promovierte Philosophin in Rundfunk und Fernsehen als Beziehungsexpertin auf. Diese Fülle an Erfahrungen hat Wogrolly nun in ihrem neuen Buch "Die Beziehungsformel" verarbeitet, das den klingenden Untertitel "Endlich glücklich lieben" trägt.

Dass Wogrolly eine Vergangenheit als Schriftstellerin hat, ist dem 184 Seiten starken Werk dabei durchgehend anzumerken. So vermag es die Autorin, auch in einem Sachbuch einen Spannungsbogen zu etablieren, wiederkehrende Motive einzuarbeiten und äußerst achtsam zu formulieren. Doch auch etwas Mathematisches haftet dem Buch, wie schon der Titel verrät, an. Eine der Formeln lautet etwa "Selbstachtsamkeit + klare Grenzen = Nein-Sagen ohne schlechtes Gewissen". Eingebettet sind die Formeln in zahlreiche Fallbeispiele und deren wissenschaftliche Analyse, wobei Wogrolly nicht nur auf Psychologie und Philosophie, sondern auch auf die Literaturwissenschaft zurückgreift.

Und so führt das Buch von Themen wie Selbsterkenntnis und Beziehungstypen über die Bewusstmachung derselben bis hin zu möglichen Lösungen, um tatsächlich ein glücklicheres Leben zu führen - mit sich selbst und mit (beziehungsweise fallweise besser ohne) den Partner. Dass dieser Weg ohne Psychotherapie ungleich schwieriger sein könnte, schimmert an zahlreichen Stellen mehr als sanft durch. Man möchte meinen, "Die Beziehungsformel" ist eine ziemlich dicke Visitenkarte für Wogrollys eigene Praxis. Das macht aber nichts. Gerade in der Flut von Ratgebern sticht dieses Buch durch seine fachlichen und literarischen Qualitäten hervor und kann so manchen Suchenden ein Stück auf seinem Weg begleiten.

Monika Wogrolly: "Die Beziehungsformel", Ueberreuter Verlag, 184 Seiten, 19,95 Euro.