Der Mythos über die unglückliche Liebe der Phädra zu ihrem Stiefsohn Hippolyt ist klassischer Theaterstoff. Antike Dramatiker haben sich ebenso damit befasst wie der französische Dichter Jean Racine oder die Britin Sarah Kane. Am Sonntag (7. Mai) bringt der Münchner Staatsintendant Martin Kušej das berühmte Drama mit dem Schriftsteller Albert Ostermaier in einer neuen Fassung auf die Bühne des Residenztheaters.

"Phädras Nacht" hat starke Bezüge zur aktuellen politischen Lage. Das Stück schlage einen Bogen vom Drama der Klassik bis zum Neonazi-Terror und seiner Hatz auf Menschen, die hierher geflüchtet sind, sagte der Österreicher Kusej im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München anlässlich der Uraufführung am Sonntag.

In "Phädras Nacht" kämpfen zwei Welten miteinander, es gibt viele aktuelle Bezüge zu politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Aufgrund welcher Erfahrungen haben Sie sich entschieden, das Stück so zu inszenieren?

Martin Kušej: "Phädra" von Racine ist erst einmal gar nicht besonders politisch; das Stück zielt direkt in die Seele eines Individuums und entwickelt damit seine archaische Kraft. In der neuen Version von Albert Ostermaier wollten wir untersuchen, ob die aktuell geführten Debatten um Migration eine ähnliche archaische, individuell lesbare Dimension haben. Tatsächlich schlägt unsere Uraufführung einen Bogen vom großen schicksalsbestimmten Drama der Klassik, dessen Formenkanon wir paraphrasieren, zum aktuellen Neonazi-Terror und seiner Hatz auf Menschen, die hierher geflüchtet sind. Der "Stiefsohn", in den sich Phädra verliebt, kommt aus dem Krieg in Afghanistan - und schon bekommt die ganze Geschichte einen spannenden, unerwarteten Dreh.

Wie empfinden Sie die politische Gemengelage, gerade im Hinblick auf den aufkeimenden Nationalismus?

Martin Kušej: Ich bin aufs höchste irritiert und angespannt. Im Leben hätte ich mir nicht vorstellen können, dass diese schwachsinnige Ideologie tatsächlich wieder Mehrheiten findet. Schlimm finde ich vor allem die Tatenlosigkeit der politischen Kräfte und Führung im Osten Deutschlands. Der Terror, der dort schon alltäglich ausgeübt wird, ist scheinbar so effizient, dass der Widerstand entweder in Angst mündet oder in völliger Ignoranz und Gleichgültigkeit. Den Solidaritäts-Beitrag, den wir alle seit Jahrzehnten bezahlen, sähe ich gerne anders investiert.

Welche Rolle sollte in Zeiten wie diesen das Theater spielen?

Martin Kušej: Das Theater ist gerade der Ort, wo diese Dinge thematisiert und künstlerisch verarbeitet werden. Ich glaube aber nicht daran, dass wir mit Aufführungen etwas verändern können. Kunst ist erst einmal etwas zwischen Werkzeug und Heilmittel, Ritual und Abbildung - damit zielt sie in die Seele der Menschen. Das war übrigens schon immer so!

Welche Wirkung kann das Theater damit erzielen, wenn es Stellung bezieht zu Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Volkszorn oder Gewalt?

Martin Kušej: Um Wirkung zu erzielen, müssen meiner Meinung nach die Menschen des Theaters, die ja auch stark öffentliche Personen sind, Haltung zeigen und eben öffentlich Stellung beziehen. Zuerst durch die Inhalte, die wir auf der Bühne darstellen, aber vor allem auch durch persönliche Statements, Interviews, aktive Beteiligung an politischer Aktion, Unterstützung überparteilicher Gemeinschaft!

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