Früher war alles besser, wird in Wien gerne geraunzt. Alex Beer zeigt mit dem Krimi "Der zweite Reiter" aber, dass die alte Zeit nicht immer eine gute war. So ist der erste Fall ihres Inspektors August Emmerich im Wien nach dem Ersten Weltkrieg angesiedelt. "Es war mein erklärter Wunsch, das Buch düster zu machen, weg vom typischen Lokalkolorit-Regio-Krimi", sagte die Autorin im Interview.

Heute unvorstellbare Not herrschte 1919, die Folgen des Krieges waren allgegenwärtig, Ernüchterung war auf Euphorie gefolgt, in der Kanalisation vegetierten Obdachlose, Menschen hielten sich mit entwürdigenden Tätigkeiten mehr schlecht als recht über Wasser, der Schleichhandel blühte. Vor diesem Hintergrund siedelt Beer eine Mordserie an, die Emmerich, ein ungewöhnlicher wie eigenwilliger Polizist, heroinsüchtig und mit familiären Problemen, zu lösen versucht.

"Ich wollte nicht den typisch liebenswerten, kauzigen Ermittler haben, den es so oft gibt", erzählte Beer im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. "Emmerich geht mehr in Richtung hardboiled. Er überschreitet Grenzen, es kann seine Zeit brauchen, bis man ihn ins Herz schließt. Viel im Buch dreht sich um Recht und Gerechtigkeit - und dass das nicht immer dasselbe sein muss. Das repräsentiert er ganz gut."

Das Interesse an der Ersten Republik sei die Initialzündung für den Roman gewesen, sagte die in Bregenz geborene und in Wien lebende Autorin. "Die Handlung dockt da ganz stark an." Und: "Beim zeitgenössischen Krimi hat man irgendwann alle Motive schon gehabt. Die Geschichte nach dem Ersten Weltkrieg anzusiedeln, hat mir erlaubt, etwas ganz anderes zu machen, aber doch plausibel zu bleiben."

"Der zweite Reiter"
"Der zweite Reiter" © Limes Verlag

Von CSI war die Kriminologie damals weit entfernt. "In der Gerichtsmedizin war noch nicht alles steril, sondern da hat man so richtig reing'schnitten und g'saut", weiß Beer und schildert das auch im Roman anschaulich.

Morbide und düster ist die Atmosphäre in "Der zweite Reiter". Der große politische und gesellschaftliche Umbruch nach dem verlorenen Krieg prägt die solide erzählte, spannende wie informative Geschichte. "Für mich, die in einer Demokratie aufgewachsen ist, war das immer die Staatsform, in der jeder leben möchte", sagte Beer. "Dann ist mir im Zuge der Recherchen klar geworden, dass viele Leute damals todtraurig waren und der Monarchie nachgeweint haben. Viele wollten auswandern, weil sie nicht in einem Kleinstaat leben wollten, zu dem Österreich plötzlich geworden ist."

Auch wenn sie "kein Sachbuch, sondern einen Kriminalroman" verfasst hat, wie die Autorin betonte, ging es ihr um Authentizität. "Ich bin in quasi in die Nationalbibliothek gezogen. Es gab ja nichts, an das ich mich anlehnen konnte. Ich habe mich daher durch Zeitungen und Bücher aus der damaligen Zeit gelesen. Max Winter mit seinen Sozialreportagen war sehr hilfreich. Die Recherchen haben extrem viel Zeit gefressen, besonders auch die Kleinigkeiten. Ich habe etwa tagelang recherchiert, wie das mit dem Klopapier damals war."

"Der zweite Reiter" überrascht in Zeiten des omnipräsenten Bundesdeutschen mit viel "Österreichisch". Das sei eine "Gratwanderung" gewesen, schmunzelte Beer. "Der Verlag wollte ausdrücklich diese schrulligen alten Wiener Wörter, weil sie die Zeit besser zum Leben erwecken, und sie helfen, in diese einzutauchen. Die klassischen Wörter musste ich dagegen austauschen - also Stiege gegen Treppe oder Sessel gegen Stuhl. Ich bin mit der Mischung ganz zufrieden ausgestiegen."

Bleibt nur noch zu hinterfragen, wie das mit dem Klopapier damals wirklich war. "Zeitungen wurden verwendet", klärte Alex Beer auf.