Texas Ranger Hackberry Holland ist "in einer Zeit aufgewachsen, in der Barmherzigkeit ein Luxus" und der Westen noch wild war. James Lee Burke erzählt in "Vater und Sohn" die Geschichte dieses Mannes, der gegen eigene Fehler und finstere Machenschaften kämpft. Der epische Roman ist eine Art Spätwestern über Verrat, Revanche, Reue, Kriegsgrauen und letztendlich auch die Suche nach Liebe.

Als Krimi-Autor ist der Texaner Burke bekannt geworden. In bisher 20 überwiegend großartigen Büchern schickte der mittlerweile 79-Jährige den melancholischen Polizisten Dave Robicheaux in Louisiana auf Verbrecherjagd. Nebenbei schreibt Burke an der Familienchronik der Hollands, angesiedelt im Heimatstaat des Schriftstellers. In diesen Romanen, die man unabhängig voneinander genießen kann, verarbeitet er Mythen und Legenden Amerikas, holt weit aus und verzichtet mitunter auch auf den kriminalistischen Aspekt.

Ein Österreicher ist der Schurke

"Vater und Sohn" thematisiert über mehr als 630 Seiten eine blutige Fehde zwischen einem Waffenhändler aus Österreich und Hackberry, einem Menschenfreund, der Rassismus verachtet und hohe moralische Ansprüche stellt, der zugleich sein eigenes Familienleben und seine Alkoholsucht nicht in den Griff bekommt, und sich nur schwer in einem neuen Jahrhundert zurechtfindet. "Egal, was er tat, das Resultat war am Ende immer dasselbe: zerbrochenes Vertrauen, brennende Gebäude, Blutlachen und eine größere Entfernung vom Objekt seiner Zuneigung", heißt es über den Gesetzeshüter.

Seine große Liebe und seinen Sohn verliert der Texas Ranger aus den Augen, weil ihn seine Noch-Ehefrau manipuliert. "Man nutzt zukünftig seine Intelligenz, damit man nie wieder von anderen verletzt wird, und man revanchiert sich", lautet das Credo der ehemaligen Prostituierten. Frauen spielen generell große Rollen in dem Roman. Die weiblichen Figuren hat Burke so gut, mehrdimensional und interessant angelegt wie die des Hauptprotagonisten. Charaktere in Schwarz oder Weiß findet man bei ihm nicht. Jede Persönlichkeit hat ihre Grautöne.

James Lee Burke: "Vater und Sohn". Heyne, 18,50 Euro
James Lee Burke: "Vater und Sohn". Heyne, 18,50 Euro © Heyne

Die Story beginnt in der Zeit der mexikanischen Revolution, springt in die Schützengräben Frankreichs während des Ersten Weltkriegs, geht immer wieder zurück in eine Ära, als heute verklärte Gesetzesbrecher wie Butch Cassidy und Sundance Kid ihr Unwesen trieben, und endet in der Zwischenkriegszeit mit einem blutigen, buchstäblich zerfetzenden Showdown. Burke erzählt mit großen Worten, Metaphern und fast schon philosophischen Gedanken. Das wird seine Fans nicht überraschen: Der Autor ist seinem Stil treu geblieben, erfindet sich nicht neu - muss er wohl auch nicht.

Burke, kein Freund demagogischer Schreier, verzichtete in "House Of The Rising Sun" (so der wesentlich bessere Originaltitel) nicht auf sozialkritische Anspielungen: "Erkannten sie nicht diejenigen, die ihnen Brot und Spiele gaben, um sie abzulenken, während sie den Planeten zugrunde richteten, die Staatskassen plünderten und der Arbeiterklasse Wohlstand und Bildung verwehrten?", schreibt er etwa über jene, die machthungrigen Selbstdarstellern hörig sind. Einer der Sergios, Corbucci oder Leone, hätte aus diesem Stoff garantiert einen fantastischen Film gemacht.