Der Österreichische Buchpreis wurde heute Abend (8. November) zum ersten Mal vergeben. Im Rennen um den mit 20.000 Euro dotierten Hauptpreis waren auch Sabine Gruber mit "Daldossi oder das Leben des Augenblicks", Peter Henisch mit "Suchbild mit Katze",  Anna Mitgutsch mit "Die Annäherung" und Peter Waterhouse / Nanne Meyer mit "Die Auswandernden". Gewonnen hat ihn Friederike Mayröcker mit "fleurs".

Unsere Buchkritik

Zungenblütlerin voller Lust

Friederike Mayröcker und ihr Wortwundergarten: Die Wiener Dichterin beschließt mit "fleurs" die Trilogie ihrer Jahresberichte.

"weh mir, weil ich verrückt bin, das Ende des Buches sollte mitten im satz"....... Abbrechen. Ja, sollte es. Darf es. Dieses Buch. Weil natürlich längst wieder Neues entstanden ist seit Mai 2015, Neues gerade entsteht in ihrer Wohnung in der Wiener Zentagasse. Denn für Friederike Mayröcker ist Schreiben wie Atmen.

2013 waren es "études" ("Fetzchen"). 2014 war es ein "cahier" ("Heftchen"). Und nun liefert die Schwester des Orpheus mit "fleurs" ("Blumen") das Finale ihrer Trilogie von Jahresberichten. Flieder und Veilchen, Lilien und Arnika, Vergissmeinnicht und Glockenblume, Primel, Tulpen, Heckenrose . . . Kaum einer der dichten Texte in Mayröckers Wortwundergarten kommt ohne Blütenmeer aus, aufwogend und "um dein Herz sprieszend".

Bloß lieblich und duftend ist freilich nichts in der poetischen Prosa der Schriftstellerin. Mit scharfem Auge durchmisst sie den Alltag, ständig voller Lust, auch dem vielleicht Banalen das Besondere abzuringen. In der Strenge der Entdeckerin steckt aber immer auch Witz, der pfiffige Kumpel des Geists, der ohnehin schon immer über ihrer Hermes Baby schwebte. Aus dieser ihrer heiß geliebten Schreibmaschine fließen Erinnerungen, nie ohne Anrufungen ihres "Hand- und Herzgefährten" Ernst Jandl, der im Juni 2000 verstarb. Von ihrer "Zettelhöhle" in Margareten aus bricht sie in geheimnisvollen Gedankenflüssen zu Wanderungen in die Welt der Bilder auf.

Die sind vielfach bevölkert von der Kunst, den Künstlern. Man begegnet Dalí, Duchamp und Yves Klein. Hölderlin, Lavant und Konrad Bayer. Händel, Liszt und Georg Friedrich Haas. Aber Mayröcker schaut gedanklich auch bei ihren Großeltern im Weinviertel vorbei oder bei Hermes Phettberg, "meinem Double : massiv und 1 wenig vorgebeugt".

"ach Himmelchen verwende jetzt den Rollator": Dem Alter trotzt die 91-Jährige ironisch und singt ungebrochen mit eigenwilliger Orthographie ihr Credo: "Nicht nur das Geschriebene, auch die Existenz musz poetisch sein". Die russische Germanistin Juliana Kaminskaja sagte einmal zu Friederike Mayröcker: "Sie sehen aus wie Ihre Gedichte." Im Sinne der "fleurs" kann man ergänzen: "Wie eine Zungenblüte, mit sterndunklem Strahlenkranz."
MICHAEL TSCHIDA

KK

Neben dem Hauptpreis wurde bei der Verleihung im Kasino am Schwarzenbergplatz auch ein Debütpreis vergeben, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Nominiert dafür waren auch Sacha Batthyany mit "Und was hat das mit mir zu tun?" und Katharina Winkler mit "Blauschmuck". Gewonnen hat ihn die Tiroler Drosch-Autorin Friederike Gösweiner mit "Traurige Freiheit".

Debütpreis für Friedreike Gösweiner
Debütpreis für Friedreike Gösweiner © Droschl/Larcher
© KK



Alle Nominierten der beiden Shortlists erhalten je 2.500 Euro. Eingereicht wurden insgesamt 95 Werke, die zwischen dem 1. Oktober 2015 und dem 11. Oktober 2016 erschienen sind.