Herr Franzobel, "Österreich ist schön" betitelt sich Ihr jüngstes Buch. Was findet ein Zyniker wie Sie tatsächlich schön?

FRANZOBEL: Landschaftlich und kulinarisch ist Österreich wunderbar. Ich mag auch den sehr trockenen Humor, der das nasskalte Klima erst erträglich macht.

Umkehrfrage: Was empfinden Sie als besonders hässlich im Staate Österreich?

FRANZOBEL: Neid, Missgunst und Verlogenheit. Der Österreicher hat eine ausgeprägte Lust, anderen beim Scheitern zuzusehen. Niemandem wird etwas gegönnt, man erfreut sich am Unglück anderer. Daneben gibt es auch so eine Art moderner Aristokratie, der alles verziehen wird: Schifahrern, wenn sie dopen, hübsche Ex-Finanzminister, die Staatsgeschäfte als Freunderlwirtschaft begreifen, populistische Politiker, die Menschenhetze betreiben, sich als große Patrioten verkaufen und es gleichzeitig zulassen, dass das Land zersiedelt und von Baumärkten und Discountern verschandelt wird.

Sie fordern in Ihrem Buch einen Artenschutz für die aussterbende Spezies der angeblich echten Österreicher. Wie könnte dieser Schutz denn aussehen?

FRANZOBEL: Völlige Abschottung von der Außenwelt - so wie früher Albanien oder Nordkorea. Aber im Ernst, das Wesen des Österreichers ist Mischkulanz, Schlampigkeit, Untertreibung, Größenwahn, Fleiß und Musikalität. Das ist einzigartig, aber nur zu erhalten, wenn man offen bleibt.

Angenommen, unser Land wäre tatsächlich eine Insel der Seligen. Von welchen Stoffen würden Sie denn dann als Literat und Satiriker leben können?

FRANZOBEL: Ich wäre verstummt oder würde Musik machen. Aber zum Glück für den Satiriker ist der Mensch ein unvollkommenes Wesen.

Zentrale Themen Ihrer Werke sind Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung von Minderheiten, Verdrängungskünste. In Ihrem Buch befassen Sie sich intensiv mit dem Fall Arigona. Sehen Sie irgendein Licht am Ende des Tunnels?

FRANZOBEL: Wir tolerieren es, dass Asylbewerber am Straßenstrich anschaffen, illegal als Putzkräfte oder Pflegepersonal beschäftigt werden, es macht uns nichts, wenn unsere Firmen ihre Länder ausbeuten. Aber wir weigern uns, ihnen ein Mindestmaß an Menschlichkeit zuzugestehen und behandeln sie wie Verbrecher. Wie krank ist unser System, wenn der Staat Milliarden übrig hat, aber gleichzeitig Sozialkürzungen betreibt, wo er nur kann? Wie krank ist unser System, wenn der Staat Familien zerstört und demokratisch legitimierte Parteien nicht nur ihren Zwetschkenpopulismus - außen blau und innen braun - verkünden, sondern auch noch offen zur Menschenhetze aufrufen?

Was kann Literatur da noch bewirken? Manche Ihrer Dichterkollegen fühlen sich immer mehr wie in eine Art Kinderzimmer verbannt, wo sie sich nach Lust und Laune austoben dürfen. Wissend, dass sie draußen ohnehin kaum noch gehört werden. Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

FRANZOBEL: Literatur mit politischem Engagement ist derzeit tatsächlich völlig aus der Mode, was sie nur um so wichtiger macht. Vielleicht bedarf es auch einer postpubertären Naivität, zu glauben, noch etwas verändern zu können. Man macht sich mit solchen Themen ja nicht nur Freunde. Aber es muss sein.

Sie sind ein Vielschreiber. Was sind Ihre nächsten Projekte?

FRANZOBEL: Gegen die Bezeichnung Vielschreiber verwehre ich mich, gemessen an Dostojewski, Balzac oder Melville bin ich eine faule Sau. Aber es stimmt, dass mir das Schreiben noch immer Lust bereitet. Im Ritter-Verlag erscheint dieser Tage "Filz", ein Text über den Bawag-Skandal, und in Linz hat Ende November eine schräge Bauernkomödie Premiere: "Big Bang Löwinger".

Worüber mussten Sie in jüngerer Zeit, ohne Hohn, schlicht und einfach befreit lachen?

FRANZOBEL: Ich lache prinzipiell sehr viel. Zuletzt an einem Würstelstand beim Wiener Reinhard-Seminar. Ein werdender Schauspieler hat genäselt: "Was nehm' ich nur, was nehm' ich nur, Burenwurst oder Käsekrainer? Oder vielleicht soll ich mir doch einen Hot Dog genehmigen?" Worauf der Verkäufer trocken meinte: "Heast, du bist ka Prinz, du bist a Kunde."