3. Lesetag in Klagenfurt, wo am morgigen Sonntag (20. Juni) der mit 25.000 Euro dotierte Bachmann-Preis vergeben wird. Nach der Mittagspause las die in Teheran geborene, in Deutschland aufgewachsene und seit 2012 in Graz lebende Autorin Nava Ebrahimi den Text "Der Cousin"

Mara Delius mochte die beiden Figuren in diesem  "Text über Anpassungsdruck". Philipp Tingler mag die Dramaturgie, aber er stellt auch fest, dass vieles an dem Text nicht stimmt. Vea Kaiser dagegen war begeistert davon, dass es darum geht, das Unbeschreibliche mit den Mitteln der Kunst festzustellen. Für Insa Wilke ist das ein Text, der schmerzhafte Fragen stellt: Ist es möglich, Erfahrungen zu vermitteln? Ist es möglich, zu sprechen? Ebrahmini fahre "maximale Künstlichkeit" auf. Klaus Kastberger lobte, der Text mache einen Raum auf, den er in der Literatur so noch nicht gesehen habe. Es ginge aber auch, mahnte Brigitte Schwens-Harrant, um ein Machtgefüge: Wer benutzt hier wen? Und warum? Wieder jedenfalls eine sehr lebhafte Diskussion der Jury. Insa Wilke findet, das Dorf ist die Kontinuität in dem Text, die Menschen bringen die Veränderung hinein.

Am Vormittag hatte sich erstmals eine Favoritin abgezeichnet: Dana Vowinckel erzählt in ihrem Text "Gewässer im Ziplock" eine Drei-Generationen-Diaspora-Geschichte (Michael Wiederstein). Die 1996 in Berlin geborene Autorin studiert Linguistik und Literaturwissenschaft (Berlin, Toulouse, Cambridge und Frankfurt) und arbeitet gerade an ihrem ersten Roman.

Vea Kaiser findet den Text "grandios und wunderbar". Insa Wilke findet ein Bewusstsein für den performativen Charakter der Sprache, Tingler findet das "großartig", wie das umgesetzt ist: Der Text hat auf der psychologischen Ebene sehr gute Elemente und überhaupt sei da Könnerschaft zu erkennen. Mara Delius hofft, dass aus dem Text ein Roman wird - das sind sich die Jurorinnen und Juroren einig: ein gutes Lektorat - und dann möchten alle gerne den längeren Text lesen.

Danach liest ihr von Michael Wiederstein eingeladener Landsmann Timon Karl Kaleyta den Text „Mein Freund am See“. Darin geht es um Julian, der ein Boot hat und Freunde einlädt - und um einen Erzähler, dessen Gedanken immer bösartiger werden.

Timon Karl Kaleyta
Timon Karl Kaleyta © (c) ORF

Klaus Kastberger fand dann auch gleich einmal, das sei wie die "Sendung mit der Maus" - und er möge die Sendung nun einmal einfach. Auch Insa Wilke findet den Text "erzählerisch klug und leichfüßig". Da kommt "pure Gewalt" in einem "naiven Kostüm" daher. Philipp Tingler findet den Text "flach wie der See, der da vorkommt und auf dessen Grund man sehen kann". Es fehlt ihm die "Nachhaltigkeit". Brigitte Schwens-Harrant lobt den Text ebenfalls, Vea Kaiser dagegen fand es "handwerklich arm", der "Leser würde sehr oft aus dem Text ausgesperrt werden". Und auch Mara Delius hat ein eher ambivalentes Verhältnis zum Text. Sie habe den Text gelesen als "Parabel auf verunsicherte Männlichkeit".

Den Lesereigen beendete die Deutsche Nadine Schneider, die ihren 2019 erschienenen Roman „Drei Kilometer“ im Jung und Jung Verlag veröffentlicht hat. Sie las den Text "Quarz".

Vea Kaiser begeisterte sich jedenfalls sehr für den Text, den sie "grandios" nennt. "Der Text imprägniert sich mit Mitteln des 19. Jahrhunderts", meint Klaus Kastberger, der gleich einmal Stifter erwähnt, weil wer "Quarz" sagt muss halt auch Stifter sagen. Philipp Tingler fand den Text uninspiriert, die Kritik an Dorf, Pfarrer etc. könne man "heute nicht mehr machen".