Vielleicht wären Yannic Han Biao Federer wie in seinem Video-Porträt Tränen über die Wangen geronnen, hätte er nicht doch noch im Rennen um den vierten von der Jury vergebenen Preis in einer Stichwahl den Zuschlag erhalten: Der 3-sat-Preis (7.500 Euro) wurde dem 33-jährigen Deutschen mit chinesischen Wurzeln zuerkannt, nachdem er bei den Stichwahlen zu den drei zuvor vergebenen Auszeichnungen jeweils unterlegen ist. „Mir fehlen die Worte“, stammelte er gestern nach der Kür im ORF-Theater mehrfach in die gezückten Mikrofone, überwältigt von der sich lösenden Anspannung. „Im Gestöber von alter egos findet hier Trauerarbeit statt“, erläuterte Laudatorin Hildegard E. Keller den kunstvollen Text rund um eine Trennung.

Mit der Geschichte der im Prekariat in einem Mietshaus lebenden Erzählerin („Der Schrank“) und einer Sprache, „die aufwühlt, überfließt und knistert“ (Laudator Stefan Gmünder) errang zuvor die Salzburgerin Birgit Birnbacher den Ingeborg-Bachmann-Preis (25.000 Euro). So wie vor vier Jahren in Rauris, wo sie mit einem Text über eine depressive Mutter den Förderungspreis erhielt, beeindruckte die studierte Soziologin mit einer gelungenen Mikrokosmosstudie. Dieser Text der 33-jährigen Mutter eines dreijährigen Buben ließ Juror Gmünder an Samuel Becketts „Endspiel“ und Klaus Kastberger an Bachmanns „Malina“ denken und „hat etwas Magisches“ (Insa Wilke).

Die zweite Stichwahl, die Federer verlor, war jene um den Deutschlandfunk-Preis gegen den jungen Oberösterreicher Leander Fischer(12.500 Euro), der am Vortag die Jury mit seinem Text über das Fliegenfischen begeistert hatte. „Der Text schafft es, das Vergnügen am Verfertigen eines Kunstwerkes, am Knüpfen eines Köders mitzuteilen“, lobte Juror Hubert Winkels, der Fischer eingeladen hatte.

Birgit Birnbacher gewinnt Bachmann-Preis: "Kann es nicht glauben"

Bevor er selbst zum Zug kam, unterlag Federer in einer Stichwahl um den Kelag-Preis (10.000 Euro) der in Hamburg lebenden Kärntnerin Julia Jost. Virtuos und rotzig (so die Jurystimmen) bürste die Autorin die österreichische Antiheimatliteratur gegen den Strich. Erzählt wird in „Unweit vom Schakaltal“ (das, laut Klaus Kastberger, der sie eingeladen hatte, Bärental heißen könnte) die Geschichte der Nazivergangenheit eines Kärntner Großvaters – passend also, dass in der Diskussion der Name Josef Winkler fiel. Die Dramatisierung von dessen Roman „Roppongi“ hatte Julia Jost 2017 am Landestheater Niederösterreich auf die Bühne gebracht.

Der BKS-Bank-Publikumspreis (7.000 Euro plus Stadtschreiberstipendium), der via Online-Voting ermittelt wurde, ging an die Deutsche Ronya Othmann, die mit ihrem Text über den Genozid an den Jesiden im Irak heftige Diskussionen über das, was Literatur darf, angezettelt hatte.

Mit Sarah Wipauer, Daniel Heitzler und Katharina Schultens sind einige Favoriten auch leer ausgegangen