Mit seinem Text "Lumumbaland" über einen jungen Weißen, der gleichsam eine schwarze Identität annimmt, erhielt der in Berlin lebende Hamburger Schauspieler, Regisseur und Autor Stephan Lohse beim gestrigen Auftakt zu den Lesungen der 42. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt viel Lob von der Jury. Grund für eine kurze Nachfrage: Wie war's?

APA: Herr Lohse, Sie gelten nach dem ersten Tag als Favorit. Wie haben Sie die Art und Weise, wie mit Ihrem Text umgegangen wurde, empfunden?

Stephan Lohse: Ich habe es als sehr freundlich, sehr zugewandt empfunden. Ich habe allerdings keinen Vergleich, ich habe davor nichts gesehen, weil ich zu aufgeregt war und im Hotelzimmer hin- und hergetigert bin. Und danach hatte ich Termine und musste gleichzeitig einen Schlüsseldienst in Berlin besorgen, weil meine Haustür kaputtgegangen ist. Ich habe also von niemandem anderen etwas mitbekommen - was ich ziemlich schade finde. Wenn man selbst da sitzt, kriegt man nicht alles mit, man befindet sich teilweise im Blindflug, aber ich finde die Kritik an meinem Text bedenkenswert. Ich muss sie ja nicht unbedingt teilen, aber ich kann darüber nachdenken.

APA: Was war Ihre Intention, beim Bachmann-Preis anzutreten?

Lohse: Ich hatte zunächst keine Intention. Meine Lektorin hat mich gefragt, ob ich mir das überhaupt vorstellen könne, und ich hab gesagt: Ich kann das eigentlich nur in Form eines Textes beantworten. Dann habe ich den Text geschrieben, und es hat sich rasch verselbstständigt: Sie hat den Text Herrn Winkels gegeben, und schwupp war ich beim Bachmann-Wettbewerb.

APA: Und schwupp wurde Ihnen angedichtet, dass Sie mit diesem Text ein großes Romanprojekt beginnen.

Lohse: Ja, wobei mir das interessanter Weise nicht zum ersten Mal passiert ist. Ich kann das selber nicht so beurteilen, denn ich habe ja erst ein Buch geschrieben und schreibe jetzt das nächste Buch. Ich bin als Autor totaler Anfänger. Ich habe jetzt eine Erzählung geschrieben, aber vielleicht ist mir das aus Versehen wie ein Romananfang geraten, weil ich mich in diesem Format eines Romans viel wohler fühle als im Format einer Kurzgeschichte oder Erzählung. Ich habe extrem viel Respekt vor dieser kurzen Form und glaube, dass das eine ganz eigene Kunst ist, aber meine Neigung, mich zu verfusseln und Umwege zu gehen, ist im Roman besser aufgehoben.

APA: Der Roman, an dem Sie derzeit schreiben, ist aber kein "Afrika-Roman", sondern ein komplett anderes Sujet?

Lohse: Ja, es ist eine Geschichte von zwei Brüdern, die sich 20 Jahre nicht gesehen haben, die sich wiederbegegnen und gemeinsam eine Reise machen.

APA: In Ihrem Bachmann-Text "Lumumbaland" und in Ihrem Autorenvideo hat man stark den Eindruck, dass Sie damit auch eine politische Intention verfolgen. Ist das so?

Lohse: Ja. Natürlich nicht vordergründig, nicht im agitierenden Sinne. Aber es ist tatsächlich so. Ich habe vor vielen Jahren mal für einige Monate in Afrika gearbeitet, in Mosambik, und in der Wohnung, die uns zur Verfügung gestellt wurde, war ein Junge, der uns etwas zur Hand gegangen ist. Dem hab ich am Nachmittag bei den Hausübungen geholfen, und im Geschichtsunterricht hat er das Dritte Reich durchgenommen. Das war für mich sehr beschämend, dass ein 13-jähriger afrikanische Junge von der Geschichte des Landes, in dem ich groß geworden bin, außerordentlich viel weiß, und ich über die Geschichte seines Landes eigentlich nichts. Das war der Impuls in der Geschichte, das einfach mal umzudrehen, und zu sagen: Da gibt es einen deutschen Jungen, der von Afrika viel weiß. Wir wissen nämlich von Afrika nur ganz wenig. Und in der aktuellen politischen Situation ist unsere Vorstellung von Afrika ja fast flüssig, es ist eine Welle, die über uns kommt und die wir mit harten Grenzen abwehren müssen. Wir reden über Flüchtlinge, als würde dieser Begriff keine Menschen beschreiben sondern eine Naturgewalt. Ich kann nicht verhehlen, dass mich das unglaublich ärgert und auch sehr umtreibt und ich zu dieser leider Gottes immer kleiner werdenden Minderheit gehöre, die der Meinung ist, dass diese Politik ganz grundlegend falsch ist und geändert gehört.

APA: Arbeiten Sie eigentlich weiterhin als Regisseur und Schauspieler?

Lohse: Nein. Aber ich kann es nicht ausschließen, dass ich das irgendwann vielleicht wieder muss, denn das ist der einzige Beruf, den ich gelernt habe. Ich hätte aber keine große Lust dazu. Ich genieße das Schreiben im Moment sehr und habe ein Stipendium. Deswegen kann ich davon leben.

APA: Wie beurteilt jemand mit Bühnenerfahrung das Setting bei den Lesungen in diesem ORF-Theater?

Lohse: Das Setting ist ja fürs Fernsehen eingerichtet. Die Bedingungen, die es für eine interessante Fernsehsendung braucht, kann ich nicht beurteilen, aber die Position des Lesenden im Raum finde ich unglücklich: Man sieht nur einen kleinen Teil der Zuschauer im Augenwinkel und hat keinen Kontakt zu ihnen. Die meisten sitzen neben oder hinter einem. Das macht es sehr schwer, weil man beim Lesen die ganze Zeit das Gefühl hat, unhöflich zu sein und den Menschen die kalte Schulter zu zeigen.

APA: Werden Sie am Sonntag mit Lampenfieber zur Preisverleihung gehen?

Lohse: Ich habe vor meiner Lesung meinen ganzen Vorrat an Lampenfieber verbrannt. Ich war so unglaublich aufgeregt. Man sagt mir immer: Sie sind ja Schauspieler, Sie müssen das doch gewohnt sein! Aber es ist ein riesiger Unterschied: Als Schauspieler spreche ich Texte, die ich nicht selber verantworten muss. Jetzt habe ich das Gefühl, ich hätte einen Marathonlauf hinter mir. Ich hab so einen Muskelkater! Am Sonntag werde ich dasitzen und mich freuen, wenn ich dabei bin bei diesem Preisregen und es aber auch gar nicht schlimm finden, wenn nicht.