Jörg Uwe Albig

Der letzte am heutigen Tag: Jörg-Uwe Albig wurde 1960 in Bremen geboren und studierte Musik- und Kunst in Kassel. Er arbeitete als Altenpfleger und Redakteur in Hamburg und als Korrespondent einer deutschen Kunstzeitschrift in Paris. Seit 1993 arbeitet er als Autor und Reporter. Er liest auf Einladung von Meike Feßmann. Zu seinem Videoporträt geht es hier.

Jörg-Uwe Albig
Jörg-Uwe Albig © APA/GERT EGGENBERGER

Und hier geht es zu seinem Text, der den Titel "In der Steppe" trägt.

Sorry, über Klagenfurt geht ein Gewitter nieder. Wir alle flüchten aus dem Garten ins ORF-Theater, eine Art Massenexodus. Habe jetzt leider beim Zusammenpacken von Laptop & Co. den Faden beim Text vollkommen verloren. Aber jetzt kommt eh schon die Jurydiskussion.

Klaus Kastberger eröffnet mit "ganz ganz dick aufgetragen. Was da alles an schrägem Pathos möglich ist, wird da aufgeboten." 

Aber immerhin ein neues Thema: "Mann verliebt sich in Kapelle". Auch Hildegard Keller ist nicht klar, warum er diesem Liebesobjekt verfällt, aber es gebe viele spirituelle Bilder. "Ich finde das als Versuch akzeptabel, klanglich wird viel gespielt." Sandra Kegel erinnert Klaus Kastberger daran, dass Dingverliebtheit in der Literatur eine lange Tradition hat. Hubert Winkels findet, der Autor kann viel, aber sein Text kann das, was er alles will, nicht auffangen. Es sei einfach "to much". Meike Feßmann, die den Autor eingeladen hat, betont noch einmal die "Liebesgeschichte", aber es sei eine "erkaltete Liebe". Es sei ein Text über eine Depression und den Versuch, dieser Depression durch eine klassische Übertragung zu entkommen.

Von Könner zu Könner

Clemens Setz hat zum Text von John Wray getwittert.

Jackie Thomae

Jackie Thomae ist in Leipzig aufgewachsen und lebt in Berlin. Sie schrieb Plattenkritiken für Szene- und Stadtmagazine, danach Sketche und Moderationen für das Fernsehen. 2015 erschien ihr erster Roman "Momente der Klarheit". Ihr zweiter Roman wird Ende 2018 bei Hanser Berlin erscheinen. Zum Videoporträt geht es hier.

Jackie Thomae
Jackie Thomae © APA/GERT EGGENBERGER

In ihrem Text "Cleanster" verzählt sie von einer männlichen Putzfrau, ein Ausländer, der eine deutsche Wohnung reinigt und dort herumspioniert. Bis es an der Tür klingelt und er eine Panikattacke bekommt - währenddessen er die Vase über den Tisch schüttet. Und wie jetzt die Computertastatur trocken kriegen?

Eingeladen wurde Jackie Thomae von Hubert Winkels. Den Auftakt der Diskussion macht Meike Feßmann, die hier zwei Welten findet. Der Text ist "gut erzählt, aber zu glatt für das Thema". Klaus Kastberger findet eine "gewisse Leichtigkeit", man sollte den Text nicht überfrachten mit "zu viel Problematik". Der Text hat "Schwung", aber es könnte auch eine kleine Szene in einer Serie wie "Sex and the City" sein. Die Dringlichkeit, warum "wir uns in so einem Format damit beschäftigen müssen, ist mir abgegangen." Sandra Kegel erinnert daran, dass dieser Putzmann offensichtlich traumatisiert ist, der durch das Klingeln an der Tür völlig verschreckt wird. Hildegard Keller teilt die "gemischte Stimmung", sehr gut gefallen hat ihr die Struktur", aber der Text verliere sich in Seitensträngen und "ich hätte gerne mehr über die Frau erfahren". Fazit: Gut gemachte Geschichte, vielleicht ein bisschen zu glatt und immerhin mit einem Zeitthema. Klingt nach einem kleineren Preis.

Mittagspause

Nettes Gespräch mit Ferdinand Schmalz. Für alle, die wissen wollen, wo um Himmels Willen die Leiche hin verschwunden ist: Der Text ist Teil eines größeren Projekts. Darauf freuen wir uns!

Verena Dürr

Verena Dürr wurde 1982 in Wien geboren. Sie ist "Autorin, Musikerin und Küchenhilfe". Sie hat "medienübergreifende Kunst" in Wien studiert und betreibt Experimente in verschiedenen künstlerischen Bereichen (Video, Performance, Objekt). Sie ist außerdem Teil des Poesiepop-Duos "Bis eine Heult". Außerdem ist sie Veranstalterin der medienübergreifenden Literaturreihe "Musenküsse". Sie liest auf Einladung von Klaus Kastberger. Zum Videoporträt geht es hier.

Verena Dürr
Verena Dürr © APA/GERT EGGENBERGER

"Memorabilia" nennt Vera Dürr ihren Text, der hier nachzulesen ist und von zwei Klavieren aus dem Film "Casablanca" handelt. Viel Zollfreilager, darin ein Restaurator und viel Wissen, das ein bisserl nach Wikipedia klingt.

Ein geheimnisvolles Zollfreilager mit vielen geheimnisvollen Kunstwerken. Weggeperrt irgendwo in einem Kleinstaat (Schweiz?), dort immerhin perfekt konserviert. Ein Klavier wird dort verschwinden, denn das andere steht ohnehin in der Wohnung der Käuferin.

Meike Feßmann sieht hier eine Parallelwelt, die sie aus Reportagen gut kennt. Aber sie sehr weder eine eigene Stimme noch einen eigenen Ton. "Im Zollfreilager hätte der Text keine Chance." Hubert Winkels erinnert daran, dass sich nicht jeder Text über Figuren definieren muss. Er fand zum Beispiel einen total rührenden Halbsatz: "Es gibt ein paar kleine Szenen, die rühren. Ansonsten ist es reine Konzeptkunst und die halte ich für gut gemacht." Hildegard Keller sieht in diesem Berg einen "Safe" und einen "Schrein". Sie findet, der Text hat eine "ganz eigene Stimme".  Und die "inneren Werte, um die es hier geht, sind bezifferbare Werte." Beim ersten Lesen habe sie sich gefragt, was es für ein Text ist - eine feine literarische Reportage oder eine Parabel. Und es ist wohl beides und "dieser Text hält dieser Spannweite stand." Michael Wiederstein sieht eine "Satire auf den Kunstbetrieb", deren Oberfläche in die Höhlentiefe transportiert wird (oder so). Mit der Literarisierung bekommt man ein gutes Bild von diesem Betrieb. Stefan Gmünder fand einen "schönen Text". "Der Text schafft es mit einfachen Mitteln, einen Blick hinter die Kulissen zu erlauben", sagt Klaus Kastberger. Alles in allem: Ein Text mit ein bisschen viel Kopf, aber perfekt inszeniert. Preisempfehlung!

Barbi Markovic

Und nun liest Barbi Markovic, die 1980 im jugoslawischen Belgrad geboren wurde. Sie lebt seit 2006 in Wien. 2009 sorgte sie mit dem Thomas Bernhard-Remix-Roman "Ausgehen" für Furore und wurde als Popliteratin einer neuen Generation gefeiert. Für ihren Roman "Superheldinnen" erhielt sie 2016 den Alpha Literaturpreis. Den Bachmann-Preis hat sie vorher nie geschaut, in Klagenfurt ist sie, weil "sie einen Preis gewinnen will". Das Videoporträt finden Sie hier.

Im Video zählt sie unter anderem auch auf, wann ihre vielen schwierigen Jahre waren. Aber immerhin: 2016 und 2017 waren "gute Jahre". Und ein Leben ohne Tomaten ist ohnehin sinnlos :-)

Barbi Markovic
Barbi Markovic © APA/HERBERT NEUBAUER

Zum Text geht es hier. Gerhard findet die Leichen seiner Mieter. Nur Evi hat überlebt. Deren Schwester Martha hat sich angekündigt.

Aber vor allem hat Gerhard seine Mieter überwacht und alle wussten es. Nur Gerhard wusste nicht, dass sie wussten. Aber nun will Evi die Aufnahmen, sie will wissen, ob Martha da war. Und dann kommt Martha tatsächlich und die Wohnung fängt an, die beiden zu attackieren . . .

Und nun die Juroren. Hubert Winkels macht den Auftakt und ist bald auf die Tatsache gestoßen, dass eine "ganze Familie ausgerottet wurde und die Reaktionen darauf seltsam untererregt ausfallen". Ihn stört die "zu grobe Parbolik" des Textes. Sandra Kegel findet interessant, dass die Wohnung, das Heimelige, das neue Unheimliche ist. "Die Wohnung besitzt die Menschen." Meike Feßmann hat den Text "viel lustiger gelesen als es hier vorgetragen wurde". Stefan Gmünder fand eine "Schwebezustand der Uneindeutigkeit". Mit der Zeit fand er den Text ein "bisschen redundant", aber insgesamt hat ihm der Text gefallen. Michael Wiederstein dagegen war froh, als "die Wohnung dem Ganzen den Garaus gemacht hat": "Ich konnte damit wenig anfangen." Klaus Kastberger hat Barbi Markovic eingeladen und er erinnert auch daran, dass die Wohnung ja normalerweise ein Ort des Schutzes ist und hier eben zum Unheimlichen wird. Vor allem aber sei es ein sehr aktueller Text, schließlich komme die Autorin aus Serbien. "Da passiert zwischen den Schwester total viel, da geht es wirklich um Emotion."

Bürgermeisterempfang

Jedes Jahr nutzen Jurymitglieder und Verlagsleute die Gelegenheit, beim Bürgermeisterempfang im Schloss Loretto abseits des Scheinwerferlichts in entspannter Atmosphäre einen Abend zu verbringen.
Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz hieß die Gäste beim „gemütlichen Teil des Bachmannbewerbes“ willkommen und nutzte die Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen.

Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz begrüßte zahlreiche Gäste
Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz begrüßte zahlreiche Gäste © (c) Puch Johannes (Puch Johannes)

Literaturcafe.de

Die Kollegen von Literaturcafe.de berichten regelmäßig vom Bachmann-Preis.

Ferdinand Schmalz

Der Auftakt wird gleich spannend. Immerhin ist Ferdinand Schmalz längst ein arrivierter Theaterautor. Für das Stück "am beispiel der butter" erhielt er den Retzhofer Dramapreis. 2014 wurde er von "Theater heute" zum Nachwuchsautor 2014 gewählt. Das Stück "dosenfleisch" wurde im Juni 2015 zur Eröffnung der Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin in einer Inszenierung des Wiener Burgtheaters uraufgeführt. Sein Stück "der thermale widerstand" ist für den Mülheimer Dramatikerpreis 2017 nominiert. Zum Wettlesen eingeladen wurde der Grazer von Sandra Kegel. Zu seinem sehr launigen Videoporträt, in dem der Autor der Verbindung von Essen und Sprechen nachgeht, geht es hier.

Ferdinand Schmalz
Ferdinand Schmalz © APA/GERT EGGENBERGER

Und hier geht es zum Text, der von Franz Schlicht erzählt, der seinem "Charakter und seinem Schicksal" nicht entkommen kann. Ein fahrender Vertreter im "Eismann-Kostüm", der Bienenstich und Rehragout verkauft.

Ein Kunde, Dr. Schauer, will sich nun umbringen und da kommt der Schlicht mit seinem Eiswagen gerade recht. Nur, wird Schlicht ihm helfen?

Und nun die Juroren. Hildegard Keller eröffnet mit der Bemerkung: "Herr Schmalz ist eine Figur und er kann hervorragend Figuren erfinden. Wir dürfen tief ins Innerste." Meike Feßmann meint: "Über den Anfang mit der billigen Kulturkritik kommt man schnell weg" und dann habe sie die Geschichte auch gefesselt.

Jedenfalls finde sie den Text ausgezeichnet. Hubert Winkels findet unter anderem ein extremes Gespinst von Jagd, Geweihen und tiefgefrorenen Wildprodukten. Und dann der Schluss mit dem "leeren Grab", quasi ein biblischer Abschluss. Sandra Kegel, die Schmalz eingeladen hat, spricht von einem "makellosen Text" von "gammeliger Erhabenheit". Mit seinem "frozen moment" sei er total in der Gegenwart. Meike Feßmann hält dagegen, dass für sie der Text eher eine "Feier des Zufalls" sei. Stefan Gmünder findet, dass der Text "rockt", ihn fasziniert das Nah-Beieinanderliegen von Hitze und Eis. Michael Wiederstein findet den zentralen Anker nicht logisch. Klaus Kastberger dagegen hat einen "perfekten Text" gefunden, der eine ungeheure "Präsenz" zeigt. Da glaube man dann sogar an ein sprechendes Rehragout. Außerdem würde er Schmalz zum Sieger des "Horváth-Lookalike-Award" verleihen.

Juror auf Twitter

Guten Morgen

Guten Morgen. Heute startet der 2. Lesetag. Los geht es mit Ferdinand Schmalz. Vorher ein kurzes Resümee von gestern: Ein kurzes Resümee zum ersten Tag: Viel Apokalypse, eine diskutierfreudige Jury, die schon beim ersten Text aufeinander prallte. Und mit John Wray einen ersten Favoriten, bei dem man angesichts der Diskussion das surreale Gefühl bekam: Er ist zu gut für den Bachmann-Preis, denn dieser "Profi" hat "Klagenfurt nicht notwendig" (Klaus Kastberger). Dem widerspricht Wray übrigens im Interview: "Wenn ich hier verrissen worden wäre, hätte ich wahrscheinlich lange nicht mehr den Mut gefunden, auf Deutsch zu schreiben. Insofern hatte ich Klagenfurt schon nötig." Nachlesen können Sie alles über den ersten Tag hier.