"Ich liebe Käse", sagt Anton Sutterlüty, als er uns in den Keller des Hauses in der Grünangergasse führt, nah beim Wiener Stephansdom. Der Legende nach wurde hier im "Kipferlhaus" während der Türkenbelagerung das Kipferl erfunden. Später wurde aus der Bäckerei ein Gasthaus, in dem auch Mozart war.

Jetzt gibt es in dem edel renovierten Keller, in die ein Lift aus Glas und Stahl führt, die Wine-Bank ein Weindepot; und Sutterlütys Käse, der hier bei konstanten 18 oder 19 Grad lagert. Wir bereiten uns auf einen strengen Geruch vor, als der 57-Jährige die Glastür öffnet, doch das Gegenteil ist der Fall. Es riecht nach Holz und Milch, nach Stein und Salz, nach Ziegel und Moos und nach trockenem Waldboden und Heublumen. Oder anders gesagt: Es riecht nach gutem Käse.

Vom Käse über das Leben lernen: "Indem wir das Produkt reifen lassen, reifen auch wir", denkt Sutterlüty
Vom Käse über das Leben lernen: "Indem wir das Produkt reifen lassen, reifen auch wir", denkt Sutterlüty © Christoph Kleinsasser

Jedes Jahr ist Anton Sutterlüty im Frühsommer und im Herbst mehrere Wochen lang auf der Alm bzw. auf dem Vorsäß, wie im Bregenzerwald Almen auf rund 1000 Meter Seehöhe heißen, und verarbeitet dort als Senner die Milch, die ihm die Bauern bringen.

Im Bregenzerwald wird seit Generationen die Drei-Stufen-Landwirtschaft gepflegt, die von der Unesco sogar als immaterielles Kulturerbe anerkannt ist: Erst gibt's den landwirtschaftlichen Talbetrieb, dann geht's mit dem Vieh auf den Vorsäß. Dort wird die verzögert einsetzende Vegetation genutzt, um das Vieh ausgiebig weiden zu lassen. Zuletzt kommen die Tiere auf die Alm, die Alpe, wie's in Vorarlberg heißt.

Jeden Abend kommt in Anton Sutterlütys Vorsäßhütte die frisch gemolkene Milch in die Gebsen. Die Holzgefäße, in denen die Milch über Nacht steht, geben dem Käse seinen Namen. Über Nacht haben die Milchsäurebakterien hier Zeit, zu arbeiten. Dank der Gebsen, die besonders gepflegt werden müssen, braucht's keine Bakterien aus dem Labor.

Das Türschild im "Kipferlhaus" im Ersten in Wien
Das Türschild im "Kipferlhaus" im Ersten in Wien © Christoph Kleinsasser

"Es ist eine harte Arbeit, es ist viel Arbeit", sagt Sutterlüty, "aber es ist eine unglaublich gute Arbeit." Zwischendurch gehe es um vier Uhr früh los. Nichts sei gekünstelt, die Natur gibt den Takt vor. Und dann brauche es eigentlich nur noch Tausend Handgriffe und mehr, um aus Milch Käse zu machen.

"Vielleicht ist Käse so besonders, weil er uns an unsere ersten geschmacklichen Eindrücke erinnert. An die Muttermilch. Käse hat so etwas Volles, Molliges. Für mich gibt es geschmacklich nichts Besseres", erklärt der Käser schwärmerisch, als er uns in seinem Keller seine Ernte zeigt. 175 Käselaibe liegen momentan in den Holzregalen. Die größeren wiegen 35 Kilo, die kleineren um die 26 Kilo. Die Durchmesser reichen von 55 bis 62 Zentimetern.

Die Laibe liegen dort unten mitunter mehrere Jahre, wo sie mehrmals die Woche mit einer Bürste, die in Salzwasser getunkt wird, abgerieben werden. Nicht zuletzt verhindert man damit auch Schimmelbildung. Je älter die Käselaibe sind, desto dunkler ist ihre Rinde. Manche sehen aus wie dunkler Marmor, wie Nussholz, wie Nougat. Die Neoninstallation des Lichtkünstlers Dusty Sprengnagel, die von der Decke baumelt, verstärkt die warmen Töne.

Anton Sutterlüty hat eine ganz einfache Philosophie beim Bearbeiten seines Käses: "Reifen lassen, Zeit lassen, die Natur machen lassen." Als Kind von Bauern aus dem Bregenzerwald habe er einfach von klein auf mitbekommen, dass es nur im Einklang mit der Natur geht. Er und seine fünf Geschwister hätten gelernt, dass die Natur nur gut zu einem ist, wenn man auch gut zu ihr ist.

Wie man Käse macht, das weiß er schon, seit er zehn ist. Selbstständig gemacht hat er sich aber erst im Jahr 2014. Seit 2015 liegt sein Käse tief unten im Keller im ersten Bezirk.

Davor hatte es mehrere Wendepunkte im Leben des dreifachen Vaters gegeben. Seine Frau Nina lernte er in seiner Zeit als Kunstvermittler im Essl-Museum in Klosterneuburg kennen, wo sie die Kommunikation und das Marketing leitete. Sie blieb bei ihren Leisten und arbeitet heute im Kunsthistorischen Museum.

Besonders nachhaltig wirkte sich Sutterlütys Sieg bei der ersten "Millionenshow" in Österreich im Jahr 2001 aus. "Die Millionenfrage war: 'Wie hieß die griechische Muse der lyrischen Tonkunst?'", erinnert er sich. Mit der Antwort "Euterpe" gewann er damals noch die zehn Millionen Schilling (rund 700.000 Euro).

"Ich habe keinen Almsommer davor oder danach mehr genossen als jenen nach dem Sieg. Dort oben kam ich zur Ruhe", sagt er. In der Stille der Berge und durch die schwere Arbeit als Senner habe er die Bodenhaftung wohl leichter behalten. "Ich kenne aber auch keinen, der nach dem Gewinn in der 'Millionenshow' völlig ausgeflippt wäre", wirft er ein. Vielleicht habe das im Unterschied zu einem Lottogewinn auch damit zu tun, dass der "Millionenshow"-Gewinner letztlich etwas habe leisten müssen.

Sutterlüty arbeitete jedenfalls noch mehrere Jahre weiter als Kunstvermittler, "aber ich gestehe: Erst seit ich mich mit dem Käse selbstständig gemacht habe, fühle ich mich richtig angekommen im Leben", erzählt er und deutet auf seine Käselaibe in allen Nuancen von Gelb bis Braun. "Das ist Leben", sagt er. Sein Credo: "Indem wir das Produkt aufmerksam reifen lassen, reifen auch wir."

Der Gewinn der "Millionenshow" sei ein Glücksfall gewesen, der ihm dabei geholfen habe, aus seiner Passion seinen Beruf zu machen. "Das Wichtigste aber, das ich dadurch gewonnen hatte, war Zeit. Davon werde ich mein ganzes Leben lang zehren."

Jeden Freitag und Samstag gibt's einen Stand auf dem Wiener Karmelitermarkt. Online wird nur ab fünf Kilo verschickt. Je nach Reifegrad kostet der Käse pro Kilo zwischen 24 und 40 Euro.  www.antonmachtkes.at
Jeden Freitag und Samstag gibt's einen Stand auf dem Wiener Karmelitermarkt. Online wird nur ab fünf Kilo verschickt. Je nach Reifegrad kostet der Käse pro Kilo zwischen 24 und 40 Euro. www.antonmachtkes.at © Christoph Kleinsasser