Der Rauch wabert durch das holzvertäfelte Zimmer und vernebelt das durch hohe Fenster eindringende Sonnenlicht. Breite Krempenhüte, weißgestickte Rüschenkleider, hochgezwirbelte Schnurrbärte und von Pomade glänzende Frisuren bewegen sich munter durch den mondänen Raum der Villa Wartholz. "Ausstattung? Zigarre!" hallt es noch durch die hohen Wände, bis die illustre Runde sich auf Position begibt. Die Stellprobe kann beginnen.

Kurz vor Drehbeginn in der Villa Wartholz
Kurz vor Drehbeginn in der Villa Wartholz © (c) ORF/Hans Leitner (Hans Leitner)

Meilensteine queerer Geschichte in Österreich

Die einstige Sommerresidenz von Kaiser Karl I. und seiner Gemahlin Zita in Reichenau an der Rax dient an diesem regnerischen Augusttag als Kulisse für Dreharbeiten. In den Räumlichkeiten atmet man Geschichte – der ideale Rahmen also für Universum History, eine Koproduktion von ORF, ZDF, Arte und Vienna Set, die sich diesmal dem Thema "Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte" annimmt. Darin werden in zwei Teilen die Schicksale zweier homosexueller Menschen aus der Zwischenkriegszeit nacherzählt, die Teil der damals aufkommenden ersten queeren Bewegungen in Österreich und Deutschland waren.

Die Villa Wartholz in Reichenau an der Rax diente als Drehort
Die Villa Wartholz in Reichenau an der Rax diente als Drehort © (c) imago stock&people (imago stock&people)

Wie sich eine junge lesbische Frau mit Freud anlegte

Einerseits ist da Gretl Csonka. Das junge bürgerliche Mädchen aus gutem Hause wird 1919 von ihren Eltern zu dem damals noch in Wien residierenden Sigmund Freud geschickt, um ihre lesbischen Neigungen, insbesondere ihre Zuneigung zur preußischen Gräfin Leonie von Puttkamer, zu "heilen". Dieses "g'rad richten", wie es Regisseur Fritz Kalteis im Interview mit der Kleinen Zeitung unter Anführungsstrichen bezeichnet, will aber nicht so recht gelingen. Denn Gretl und Leonie machen sich einen Spaß daraus, Freud "erfundene Traumgeschichten aufzutischen". Der Gründer der Psychoanalyse kommt zu dem Schluss, dass Homosexualität nicht von der Psychotherapie "geheilt" werden könne und schon gar nicht müsse.

Regisseur Fritz Kalteis erklärt auf einer Nachbildung von Freuds Couch sitzend, worum es geht
Regisseur Fritz Kalteis erklärt auf einer Nachbildung von Freuds Couch sitzend, worum es geht © (c) ORF/Hans Leitner (Hans Leitner)

Gretl Csonka wird von der ursprünglich aus Kärnten stammenden Schauspielerin Christina Cervenka dargestellt, die ihr Schauspielstudium an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz absolvierte. Die Geschichte der Gretl Csonka wurde laut Regisseur Kalteis bis in die Neunziger-Jahre unter Verschluss gehalten – Anlass genug, um ihr nun in der Universum-History-Folge "Die Illusion der Freiheit" einen besonderen Platz zu gewähren. Der zweite Teil der Produktion zeigt anhand der historischen Figur des Josef Kohout, wie die in der Zwischenkriegszeit aufblühende queere Subkultur von den Nationalsozialisten brutal niedergeschlagen wurde – und selbst danach die Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen kein Ende fand.

Christina Cervenka spielt Gretl Csonka
Christina Cervenka spielt Gretl Csonka © (c) ORF/Hans Leitner (Hans Leitner)

Karl Markovics verkörpert Freud

Zurück zum Set in der einstigen Kaiserresidenz. An einem ganzen Foyer voller Requisiten und Kameraleuten vorbei gelangt man schließlich zum Ort des Geschehens: das Ordinationszimmer des Psychoanalytikers. Dort macht sich einer der größten österreichischen Schauspieler gerade bereit, die Rolle Freuds zu verkörpern: Karl Markovics. Sich mit dem Begründer der Psychoanalyse und seinem Zugang zu Homosexualität auseinanderzusetzen, war für Markovics keine besondere Herausforderung: "Ich habe mich mit Sigmund Freud schon auf unterschiedlichste Weisen als Privatmensch beschäftigt." Es sei auch nicht das erste Mal gewesen, dass er Freud gespielt habe.

Karl Markovics spielt Freud
Karl Markovics spielt Freud © (c) ORF/Hans Leitner (Hans Leitner)

Eine Schlüsselszene habe ihm Freuds Haltung zu Homosexualität jedoch besonders gut vor Augen geführt: "Es kommt hier ein Originalsatz vor, der mir das besser erklärt. In einer Szene sagt er zu Margarethe Csonka: 'Ich werde Ihrem Vater raten, die Therapie abzubrechen. Die Psychoanalyse ist nicht dazu berufen, das Problem der Homosexualität zu lösen.'" Außerdem soll er in der Szene auch fragen, ob Gretl überhaupt leide oder klage, warum der Vater überhaupt glaube, dass sie krank sei. In Zusammenhang mit gleichgeschlechtlicher Sexualität habe Freud laut Karl Markovics also "ganz bewusst nicht von Krankheit, von Leiden, von Defekt oder von Heilen gesprochen."

Karl Markovics entspannt mit Kaffee beim Gespräch mit der Kleinen Zeitung
Karl Markovics entspannt mit Kaffee beim Gespräch mit der Kleinen Zeitung © (c) ORF/Hans Leitner (Hans Leitner)

Noch einmal hallt es "Ruhe" durch die von Rauchschwaden durchzogenen Räume. "Bitte alle leise sein!" – die Szene wird einmal durchgespielt, bevor es zum eigentlichen Dreh kommt. Christina Cervenka sitzt in Gestalt von Gretl Csonka vor den Flügeltüren des Ordinationszimmers und lauscht heimlich dem Gespräch zwischen Freud und ihren Eltern, dargestellt von Carolina Frank und Florian Carove. Wie geht die Geschichte für die junge Frau und ihre Geliebte aus? Interessierte erfahren es zum Ausstrahlungstermin von "Universum History: Die Illusion der Freiheit" im Dezember 2023 auf ORF.