Wohin auch immer der Künstler Mavi Phoenix will, er ist noch nicht ganz dort angekommen. Das jetzt überraschend veröffentlichte dritte Album ist Protokoll dieser Selbstsuche und wohl nur teilweise gelungenen Selbstfindung. Das Vorgängeralbum "Marlon" war noch ein starkes Selbstermächtigungsstatement des Künstlers, der sich 2019 als Transmann geoutet hatte. Marlene Nader, so der bürgerliche Name, war somit endgültig Geschichte, Marlon hat das musikalische Ruder im Projekt "Mavi Phoenix" übernommen. Der autotunige Sound trat in den Hintergrund, der Popkünstler ins Rampenlicht. Gitarren statt Elektronik, der Song im Mittelpunkt, nicht die Performance. Und jetzt ist wieder alles anders.

Das neue Album "Biggest Asshole in the Room" trägt nicht nur einen starken Titel, sondern auch eine tiefe Zerrissenheit in sich. Es ist ein dringliches, aber düsteres, desillusioniertes Album, das sich nicht entschließen will, wie es klingen soll, und wieder eher zurück in die musikalische Vergangenheit weist. Knarzende Beats und wacklige Synthie-Klänge dominieren, zwischendurch wird es poppiger, zugänglicher, und aus der verhuschten Stimme leuchtet ein Künstler durch, der dem Besten aus beiden Welten zum Greifen nahe ist, es aber doch nicht zu fassen kriegt.


Songs wie "Bird’s Eye", "Cute" oder "Snooze" sind starke Ruhepole eines fiebrigen Albums, das nicht nur halb fertig und brüchig klingt, sondern es auch ist – vermutlich ein Spiegelbild des Künstlers und seiner aktuellen Befindlichkeit. In den Texten geht es um Liebe, Lügen, Laster, Loslassen und das verkaterte Aufwachen nach verhunzten Nächten. Mavi/Marlon gibt tiefe Einblicke in sein schwankendes Seelenleben. Aber nicht zuletzt geht es auf diesem Album um Selbsterkenntnis, die meist ziemlich schmerzhaft ist. Etwa dann, wenn man am Ende der Nacht feststellen muss, dass das größte Arschloch im Raum man selbst ist.

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Albumtipp: Mavi Phoenix. Biggest Asshole in the Room.
LLT Records.