Naturgemäß ist das eine ungute, recht peinliche Angelegenheit. Für sein hochgelobtes Kinderbuch "Faszination Krake" wurde der Autor Michael Stavarič mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderen wurde das Buch zum österreichischen Wissenschaftsbuch des Jahres gekürt. Dieser Preis wurde Stavarič inzwischen allerdings aberkannt. Denn in der Begründung der Jury heißt es: "Wesentliche Textanteile im Buch wurden wörtlich von populärwissenschaftlichen Artikeln in Publikumszeitschriften übernommen. Es liegen somit nachweislich mehrfache Urheberrechtsverletzungen vor."

Stefan Gartler, Geschäftsführer des Leykam-Verlages, bestätigt die Aberkennung und räumt ein, dass da "unsauber gearbeitet" worden sei. "Vier bis fünf Absätze wurden eins zu eins vom Autor von anderen Publikationen übernommen, das ist sicher nicht in Ordnung", so Gartler. Allerdings sei Stavarič offenbar nicht bewusst gewesen, "dass man auch bei Kinder- und Jugendbüchern konsequent zitieren muss". Gartler betont aber, dass die anderen zugesprochenen Preise für die "Krake" nicht aberkannt worden seien. Auf jeden Fall werde man das Buch überarbeiten und die fehlenden Zitierungen in der Neuauflage nachholen.

"Verkohlter Seelenschmerz"

Keine Urheberrechtsverletzung, höchstens eine – nicht strafbare – künstlerische Anmaßung hat Michael Stavarič in seinem neuen Roman "Das Phantom" begangen. Denn das Buch ist nichts Geringeres und Gewagteres als die Mischung einer Hommage und Persiflage auf den großen Thomas Bernhard. "Ungeheuerliches geschieht", mit diesem Satz beginnt dieser Text – und wahrlich Ungeheuerliches spielt sich im Kopf der Hauptfigur namens Thom ab. Und wir, die Lesenden, sind die Zeugen dieses "verkohlten Seelenschmerzes", der da zum Vorschein kommt.

Der Gemüts- und Geisteszustand dieses Mannes ist, gelinde ausgedrückt, fragil; umso furioser sind die Satzkaskaden, mit denen Stavarič diese innerliche Auslöschung beschreibt. Die exzessive Wiederholung und Übertreibung, der taumelnde und tobende monologische Redeschwall wird zum Prinzip erhoben. Das ist wahlweise faszinierend, herausfordernd, literarisch äußerst mutig, aber auch stellenweise ermüdend und redundant. Zum Glück begeht Stavarič nie den künstlerisch suizidalen Fehler, den einzigartigen Thomas Bernhard imitieren zu wollen, dafür fehlt ihm nicht zuletzt die Selbstironie und – was bei Bernhard oft übersehen wird – der Humor.

Dennoch: Inmitten all der halb garen, vierteloriginellen autofiktionalen Ergüsse, die sich gerne als Literatur ausgeben, ist "Das Phantom" ein hochoriginäres, verführerisches Schreib- und auch Leseexperiment. Es ist tatsächlich Literatur. Stavarič gewährt mit dem Blick in diesen irren und wirren Kopf Einblicke in ein Seelenleben, das jede "Basisorientierung" verloren hat. Und an den Leitplanken, die ab und zu aus dem Nebelmeer auftauchen, schlägt sich dieser Thom nur den Kopf blutig. Dessen bitteres Resümee lautet: "Es ist alles in allem wie ein Totsein, ohne die eigentlichen Vorzüge eines solchen genießen zu dürfen, nämlich das Denken ... ein für alle Mal ein- und abstellen zu können." Das Leben, ein Phantomschmerz.

© KK

Buchtipp: Michael Stavarič. Das Phantom. Luchterhand,
318 Seiten, 24,90 Euro.