Kultureinrichtungen kranken nach Corona an eklatantem Publikumsschwund? 50 Prozent Auslastung sind das neue "Ausverkauft"? Theater & Co. laborieren gar an Relevanzverlust? Noch letzten Herbst wurden solche Vermutungen öffentlich ausgiebig diskutiert. Mittlerweile haben sie sich als "erstaunlich evidenzlos" erwiesen, stellt Daniel Schönherr fest. Für das Forschungsinstitut SORA hat er erhoben, ob die Coronapandemie dem Interesse an kultureller Beteiligung nachhaltig geschadet hat. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) ließ dafür im Vorjahr 2000 Menschen ab 15 Jahren zu ihren kulturellen Aktivitäten befragen. Ergebnis: Je nach Sparte (vom Opernbesuch bis zur Denkmalbesichtigung) haben sich zwischen 11 und 18 Prozent der Befragten von der außerhäuslichen Veranstaltungsteilnahme zurückgezogen. Für heuer planen sie aber wieder mehr Besuche.

Für Mayer ist die soeben veröffentlichte Studie eine Datengrundlage, "die den Kulturbetrieben zur Verfügung steht und eine breite Diskussion über das Kulturpublikum ermöglicht", wie sie vor der Präsentation der Studie feststellte. Ganz ohne Hintergrund waren die Hiobsbotschaften des letzten Herbsts allerdings nicht: Vor allem ältere Menschen (ab 65) besuchen Kunst- und Kulturveranstaltungen deutlich seltener als noch 2019 – verstärktes Interesse des jüngeren Publikums (bis 35) wiegt das nicht auf. Immerhin: Wer dem Kulturbetrieb fernbleibt, tut das laut SORA nicht aus Unzufriedenheit mit dem Programmangebot, sondern wegen der ungünstigen Rahmenbedingungen: 41 Prozent nennen "zu viele andere Sorgen" als Begründung für eingeschränkte Kulturbesuche. Sparbedarf, gesundheitliche Bedenken, schlechte Erreichbarkeit etc. wurden genannt.

Ein Drittel geht gratis

Bemerkenswert: Das Interesse an Gratiseintritten ist hoch; sie machten 29 Prozent aller Besuche von Kulturveranstaltungen aus. Es habe also Sinn, derartige Angebote und auch die Information darüber auszuweiten, meint Mayer. Erfreulich: Insgesamt ist für 22 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher – das sind immerhin 1,7 Millionen Menschen ab 15 Jahren –der Besuch von Kulturveranstaltungen regelmäßiger Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung. Im Vergleich zu einer 2003 erstellten Studie hat sich der Anteil jener, die mehrmals pro Monat am Kulturbetrieb teilnehmen, um zehn Prozentpunkte erhöht. Auffällig: Vor allem Kino, Denkmäler, Museen und Konzerte werden gut frequentiert, an klassischen Konzerten, Galerien, Lesungen und Tanzaufführungen scheint das Interesse im Sinken. Und: Kulturelle Beteiligung nimmt zu, je besser soziale Stellung und formales Bildungsniveau sind. Hier hat sich im Vergleich zur ersten einschlägigen Erhebung anno 1975 nicht viel verändert, stellt Experte Schönherr fest: "Kulturelles Kapital vererbt sich in Österreich genauso wie Einkommen und Bildung."

Da in der Umfrage häufig die Schulen als Initiatoren für kulturelles Interesse genannt wurde, überlegt Mayer nun in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium eine Kulturoffensive in Pflichtschulen. Fix ist darüber hinaus: Im Herbst wird eine Kampagne gestartet, die die Menschen verstärkt zur kulturellen Teilnahme motivieren soll. Die soll auch langfristig ein kulturpolitisches Thema bleiben. Mayer will gemeinsam mit heimischen Institutionen Konzepte ausarbeiten, um neue Publikumsschichten zu begeistern und ehemalige Besucher wieder zurückzubringen.