Sutton ist die erste gehörlose Teilnehmerin der amerikanischen Realityshow „The Circle“, die aktuell in der fünften Staffel auf Netflix zu sehen ist. Sie ist 26 Jahre alt und kommt aus Maryland. „Ich bin extrem taub und stolz darauf“, sagt sie. Sie vertritt eine Bevölkerungsgruppe, die selten im Fernsehen zu sehen ist.

Für die Show isolieren sich alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Sie kommunizieren untereinander nur schriftlich über das hausinterne soziale Netzwerk „The Circle“. Dort buhlen sie um die gegenseitige Anerkennung. Während Raven Sutton sich selbst spielt, gibt es auch falsche Profile. Das am beliebtesten gewertete Profil gewinnt am Ende 100.000 Dollar.

Authentizität überzeugt

Die Amerikanerin tanzt sich mit ihrer offenen, quirligen und authentischen Art in die Herzen der Zuschauer und Zuschauerinnen. „Mit einem Auftritt wird es halt nicht getan sein, aber ihre Sichtbarkeit ist wichtig“, bewertet Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes, deren Auftritt. Die Präsenz einer „Normalbürgerin“ in einer Realityshow sei neu. Die Wienerin selbst erreichte 2005 die verfassungsrechtliche Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache als Sprache.

Helene Jarmer war (für die Grünen, 2009–2017) die erste gehörlose Nationalratsabgeordnete.
Helene Jarmer war (für die Grünen, 2009–2017) die erste gehörlose Nationalratsabgeordnete. © Robert HARSON

Inspiziert man die Fernsehlandschaft genauer, findet man auch Abigail Heringer, die 2021 bei „The Bachelor“ in den USA teilnahm. Heringer steht wie Sutton für die Heterogenität innerhalb der Gehörlosen-Gemeinschaft. Heringer spricht nämlich mithilfe von Cochlea-Implantaten Lautsprache.

Hürden in der Unterhaltungsbranche

Nach Jarmer seien gehörlose und hörbehinderte Menschen in der Unterhaltungsbranche mit Vorurteilen wie geringerer Intelligenz und schlechter Kommunikationsfähigkeit konfrontiert. „Raven Sutton spielt sich selbst, sie versucht gar nicht erst, einem Klischee zu entsprechen“, freut sich Jarmer. Filme wie der Oscar-prämierte „Coda“ würden hingegen Stereotype verstärken und sentimentale Storys wiederholen. „Die hörende Tochter einer tauben Familie, die ausgerechnet singen will. Warum spielt sie nicht Schach?“, kritisiert die 51-Jährige.

Eine weitere Annahme ist zudem, dass es nur eine gängige Gebärdensprache gibt. Heidi Klum zum Beispiel traf 2021 bei „Germany’s next Topmodel“ auf die gehörlose Teilnehmerin Maria Schimanski. Klum holte sofort ihre Tochter Leni vor die Kameras, die Gebärdensprache kann, damit sie sich mit Schimanski unterhält. Diese klärte schnell auf: Die in Los Angeles aufgewachsene Leni gebärdete American Sign Language, nicht deutsche Gebärdensprache.

Gebärdensprache statt Untertitel

Im Falle von Sutton kam für das hörende Publikum und den sprachgesteuerten Chat Gebärdensprachdolmetscher Paris McTrizic mit in die Show. Doch manche fragten sich: Hätte für Suttons Chat-Konversationen nicht eine Tastatur gereicht? „Wenn gehörlose Menschen die Chance haben, jemanden auf dem Bildschirm zu sehen, die gleiche Sprache spricht wie sie selbst, dann ist das schon etwas Besonderes“, erklärte Sutton in einem Interview mit „Good Morning America“.

Damit das hörende Publikum das Gesagte von Raven Sutton erfassen kann, übersetzte Paris McTrizic
Damit das hörende Publikum das Gesagte von Raven Sutton erfassen kann, übersetzte Paris McTrizic © Courtesy of Netflix

Laut Jarmer vom Gehörlosenbund zeigt sie: „Wir müssen uns nicht verstecken, wir können das tun, was andere auch können, wir gehören dazu. Und: Wir melden uns zu Wort, in unserer Sprache!“