Es scheint eine vertraute Routine in ihrem Leben gewesen zu sein: Das Brieflos und die Chance, das ganz große Los zu ziehen. Dabei lebte Erna Behr schon in ihrem ganz eigenen Paradies in der Triesterstraße 84/VII. Insgesamt 57 Jahre lang wohnte sie dort, zunächst mit ihrem Mann Otmar und den beiden Kindern. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie die Wohnung sukzessive von der Familienwohnung in die "Mamawohnung" umgestaltet, die alsbald für die längst ausgezogenen Kinder wie auch die Enkelkinder zum behaglichen Zufluchtsort wurde.

Eine Geschichte, die es so vielerorts gibt, aber jene in der Triesterstraße 84, die wird Geschichte: "Meine Mutter war nicht im Internet, sie hat keine Spuren hinterlassen und mit dem Buch kämpfe ich gegen ihr Verschwinden an", so ihr Sohn Martin Behr, der ab dem Jahr 1999 regelmäßig seine Besuche auch für eine fotografische Bestandsaufnahme genutzt und sie aufwendig in Buchform gegossen. Sein Blick galt vor allem den Details, die ganz persönliche Einblicke in die Welt der 2018 verstorbenen Erna Behr gewähren – Kalendereinträge, Brieflose, Stofftiere, Zeitschriften, Brillenbügel, Licht-Schatten-Dynamiken in den Räumen. Aber es ist weit mehr als nur das Ausleuchten eines privaten Mikrokosmos. Die Essenz der ursprünglich über 6000 Bilder geben auch Einblicke in eine Außenwelt, deren Veränderungen sich in diesen Miniaturen widerspiegeln. Die kleinen Spuren fortschreitender Veränderungen, darunter die Orchideen, exotische Boten der Globalisierung, die über die Jahre auch in der Triesterstraße Wurzeln geschlagen haben.