Family Dinner ***

Kann Österreich Horror? In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Versuche, wobei oft amerikanisierte Handlungsbögen nachkonstuiert worden sind. Peter Hengl versucht in seinem Spielfilmdebüt auf österreichische Befindlichkeiten zu setzen, und siedelt sein Kammerspiel auf einem abgelegenen Bauernhof an. Dieses Domizil ihrer Tante Claudia (Pia Hierzegger) ist der Ort, wo Simi (Nina Katlein) Ostern verbringen möchte. Der Teenager ist übergewichtig und möchte mithilfe der Tante, die Ernährungsberaterin ist, abnehmen. Doch etwas stimmt hier nicht. Claudia ist wenig erfreut, dass Simi so lange bleiben will, ein intimes „Familienfest“ wird erwähnt, und auch ihr Cousin Filipp (Alexander Sladek) sowie dessen Stiefvater Stefan (Michael Pink) verhalten sich komisch. Das große Mysterium, das Simi aufzudecken beginnt, mag zwar eine amüsante Persiflage auf moderne Foodie-Kultur und esoterische Körper-und-Seele-Mantras sein. Dennoch ist das Finale zu vorhersehbar und leer in seiner Symbolik, um filmisch überzeugen zu können. (SG)

Der Sohn **

Nachdem sich der Schweizer Dramatiker Florian Zeller im Oscar-prämierten "The Father" der Beziehung einer Tochter zu ihrem demenzerkrankten Vater gewidmet hatte, folgt nun die weniger überzeugende, spirituelle Fortsetzung. Auch diesmal steht eine Vater-Kind-Dynamik im Zentrum, die durch das Übel mentaler Gebrechen herausgefordert wird. Der karriereorientierte Lifestyle des Anwalts Peter (Hugh Jackman) wird auf den Kopf gestellt, als er plötzlich die Obhut für seinen Teenie-Sohn Nicolas (Zen McGrath) übernehmen soll. Letzterer hat die Scheidung seiner Eltern nicht gut verkraftet, zunehmend labile Verhaltensweisen werden zum Grund für Besorgnis. Die Zeichen deuten auf eine klinische Depression hin. Aller guten Intentionen zum Trotz hat sich Zeller mit seiner zweiten Bühnenadaption verkalkuliert. Ein mies verkitschtes Melodram, das darüber hinaus fragliche Aussagen über Menschen mit psychischen Erkrankungen trifft. Da kann selbst ein wuchtig aufspielender Hugh Jackman wenig retten. (POG)

Return to Seoul ***

Die charismatische junge Französin Frédérique kommt eigentlich nur für zwei Wochen Urlaub nach Seoul. Nach einigem Zögern fragt sie  aber doch bei der Adoptionsbehörde nach ihren biologischen koreanischen Eltern. Ihr Vater meldet sich und sie trifft ihn. Doch ihre biologische Mutter reagiert nicht auf die Briefe. Bis hier folgt Davy Chous „Retour à Séoul“ einem recht geradlinigen Drama-Plot. Doch nach etwa einer Stunde kommt ein großer Zeitsprung und wenig später noch einer. Diese elliptische Struktur gibt der Reise der Hauptfigur eine Frische - trotz einiger Durchhänger über die 119 Filmminuten. Denn auch die widersprüchliche, unberechenbare Frédérique (die großartige Newcomerin Park Ji-min verkörpert sie mit viel Verve und Coolness) verwandelt sich radikal. Regisseur Davy Chou spielt geschickt mit kulturellen Überschreitungen, ohne dabei intellektuell oder politisch zu werden. Denn unsere Wurzeln lassen wir uns am Ende eben selbst wachsen. (MAW)

In der Nacht des 12. ****

Es ist der Alptraum aller Eltern: Die eigene Tochter wird nach dem Feiern auf offener Straße kaltblütig ermordet. Die traumatischen Nachwirkungen eines solchen Vorfalls exerziert Dominik Moll in seinem neuen Film durch. Als die 21-jährige Clara von einer Party nach Hause eilt, wird sie aus einem Hinterhalt überrascht, mit Benzin übergossen und angezündet. Eine Tragödie, welche die französische Kleinstadt im Atem hält und auch an lokalen Ermittlern nicht spurlos vorübergeht. Einem jungen Polizisten wird als Teamleiter die Aufgabe erteilt, das Tötungsdelikt aufzuklären. Die Fahndung erweist sich jedoch als Sisyphusarbeit, die bald schon an der Psyche des Beamten zu zerren beginnt. Sachlich und ungeschönt dringt Regisseur Moll in die bedrückende Materie ein, die ausweglose Suche nach dem Peiniger wirft angesichts der Häufung von Femiziden in jüngster Vergangenheit Fragen von hoher Dringlichkeit auf. Filmische Fiktion als Spiegel einer bitteren Realität. (POG)

Igor Levit - No fear ****

Der deutsche Pianist Igor Levit gehört zu den Top-Stars der Zunft. Ein musikalischer und politischer Zeitgenosse, dem Regisseurin Regina Schilling („Kulenkampffs Schuhe“) ein spannendes Porträt widmet: Hier wird wenig vom Privatleben geredet, aber dennoch maximale Intimität erzeugt. Man sieht den in Russland geborenen Levit spielen, aufnehmen, twittern und Interviews geben. Und man sieht die Schattenseiten des Berufs: die Ängste, die knochenharte Arbeit, die Leere und Einsamkeit. In der beeindruckendsten Szene sieht man den Musiker nach einer anstrengenden Aufnahmesession minutenlang regungslos am Boden liegen. Dass dieses Porträt eines von Musik und dem Klavier Besessenen sehr lange Musiksequenzen enthält, steigert die Faszination. Und macht ihn auch zum Ohrenschmaus. (MG)

Caveman ***

Basierend auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Rob Becker erzählt der gerade verlassene Bobby (Moritz Bleibtreu) bei seinem ersten Stand-up-Comedy-Auftritt seinem Publikum, wie er und Frau Claudia (Laura Tonke) sich einst kennenlernten, verliebten, und einander mit fortschreitender Ehe immer mehr auf die Nerven gingen. Stets ein störender Faktor in ihrer Kommunikation: Der „Caveman“, ein steinzeitlicher Vorfahre, der Bobby erscheint, um ihn Tipps zu geben. Männer und Frauen sind Jäger und Sammler – so lautet in der Erzählung von den Unterschieden von Mann und Frau die Alternative zu Mars und Venus. Dass der Film, der alles wiederkäut, dennoch unterhaltsam ist, liegt an der Spielfreude von Moritz Bleibtreu. Dieser zieht sich selbst, mit Topffrisur, genüsslich durch den Kakao. Comedy-Ikone Martina Hill ist in einer Nebenrolle als Claudias beste Freundin zu sehen, bekommt für ihr Talent aber viel zu wenig zu tun. Für ein paar heitere Minuten ist „Caveman“ als Mainstreamware durchaus ertragbar. Wer hingegen die alte Mär vom Mann-Baby, das endlich erwachsen werden muss, schon etwas satthat, kann diesen Film gerne aussitzen.

Zum Film der Woche "Close" geht es hier.