Anna Jermolaewa wird den Österreichpavillon bei der Kunstbiennale 2024 in Venedig gestalten. Das gab Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien bekannt. Kuratorin ist Gabriele Spindler, Leiterin der Abteilung Kunst- und Kulturwissenschaften und Kuratorin für zeitgenössische Kunst der Oberösterreichischen Landes-Kultur GmbH.

Die 60. Ausgabe der Kunstbiennale findet vom 20. April bis 24. November 2024 in der Lagunenstadt statt. Kuratiert wird sie vom Brasilianer Adriano Pedrosa. Im vergangenen Jahr verzeichnete die neben der documenta in Kassel wichtigste Präsentation von Gegenwartskunst mit 800.000 Eintritten eine Rekordzahl an Besucherinnen und Besuchern. Der österreichische Pavillon wurde damals vom Künstler*innen-Duo Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl mit "Invitation of the Soft Machine and Her Angry Body Parts" bespielt.

Anna Jermolaewa wurde 1970 im damaligen Leningrad (heute: St. Petersburg) geboren. Als Mitbegründerin der ersten Oppositionspartei und Mitherausgeberin einer regierungskritischen Zeitung floh sie aus der Sowjetunion und erhielt in Österreich politisches Asyl. Seit 1989 lebt sie in Österreich und studierte in den 1990er Jahren Kunstgeschichte an der Universität Wien und Malerei & Neue Medien bei Peter Kogler an der Akademie der bildenden Künste, Wien. "Mein größter Wunsch war, Kunst zu studieren, 25 Jahre später stehe ich da: sprachlos", bedankte sich die Künstlerin für die "unglaubliche Ehre und Verantwortung" der Biennale-Einladung.

Leichtfüßigkeit und Witz

2006 bis 2011 war Jermolaewa Professorin für Medienkunst am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, 2016 bis 2017 war sie Gastprofessorin für Kunst in zeitgenössischen Kontexten an der Kunsthochschule Kassel. Seit 2019 ist sie Professorin für Experimentelle Gestaltung an der Linzer Kunstuniversität. In Linz ist bis 5. März im Schlossmuseum eine von Spindler kuratierte Werkschau zu sehen ("Number Two"), von der eventuell das eine oder andere Werk auch in Venedig gezeigt werden könnte. Im MAK, wo heute die Pressekonferenz stattfand, war im März 2022 ihr Projekt "Chernobyl Safari" zu sehen.

"Das künstlerische Werk von Anna Jermolaewa zeichnet sich durch genaue Beobachtungsgabe, gesellschaftspolitisches Interesse, konzeptuell-serielle Verfahrensweisen, Leichtfüßigkeit und Witz und die Beherrschung sowie einer Vielzahl von künstlerischen Mitteln wie Video, Fotografie und Installation aus", zitiert Andrea Mayer aus der Jurybegründung. "Ich halte sie für eine der pointiertesten und relevantesten Positionen der österreichischen Gegenwartskunst", sagte Kuratorin Spindler. Sie untersuche in ihrer Arbeit die gesellschaftliche und politischen Voraussetzungen des Zusammenlebens. "Was ihr Werk auszeichnet ist, dass es zugleich politisch und poetisch ist." Es besitze hohe Aktualität und hohe gesellschaftliche Relevanz gleichermaßen. Das Venedig-Projekt "A Language of Resistance" werde eine Auseinandersetzung mit gewaltfreiem Widerstand sein, "ein Thema, das kaum aktueller sein könnte".