Der weltbekannte Autor Salman Rushdie ist am Freitag bei einer Veranstaltung im US-Bundesstaat New York auf offener Bühne angegriffen und verletzt worden. Er habe eine Stichwunde am Hals erlitten und sei mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht worden, teilte die Polizei mit. Ein Augenzeuge sagte, ein Mann sei auf die Bühne gerannt und habe auf Rushdie eingestochen, während dieser noch vorgestellt wurde. Der Angreifer sei in Gewahrsam genommen worden.

Der Schriftsteller ist nach dem Angriff auf ihn und nach dem Transport ins Krankenhaus in den Operationssaal gebracht worden. Das berichtete Rushdie-Sprecher Andrew Wylie. Ihm zufolge sei Rushdie an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden. "Die Nachrichten sind nicht gut", schrieb Andrew Wylie am Freitagabend (Ortszeit) nach Angaben der "New York Times". Der 75-Jährige könne nicht sprechen und werde wahrscheinlich ein Auge verlieren. Nervenstränge in seinem Arm seien durchtrennt und seine Leber beschädigt worden. Laut BBC wurde der Schriftsteller mehrfach in Hals und Brust gestochen.Das Eingreifen eines Polizisten habe dem Autor das Leben gerettet. "Und ich möchte die Staatspolizei loben, es war ein staatlicher Polizist, der aufstand und sein (Rushdies) Leben rettete, ihn beschützte", sagte Gouverneurin von New York, Kathy Hochul am Freitag in der Stadt Buffalo.

Der Täter sei in der Veranstaltungshalle im Ort Chautauqua festgenommen worden, teilte die New Yorker Polizei mit. Um 11.00 Uhr vormittags (Ortszeit, 17.00 Uhr MESZ) "rannte der männliche Verdächtige auf die Bühne und griff Rushdie und einen Interviewer an", hieß es. Der 75-jährige Schriftsteller sei mit einem Hubschrauber in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht worden. Der Interviewer habe eine Kopfverletzung.

Salman Rushdie wurde vor mehr als 30 Jahren mit einer Fatwa belegt
Salman Rushdie wurde vor mehr als 30 Jahren mit einer Fatwa belegt © APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU

Die "New York Times" zitierte eine Zeugin: "Es gab nur einen Angreifer". Und weiter: "Er war schwarz gekleidet. Er hatte ein loses schwarzes Kleidungsstück an. Er rannte blitzschnell auf ihn zu." Polizei und medizinische Einsatzkräfte seien zu dem Veranstaltungshaus im Ort Chautauqua gerufen worden, bestätigte die Polizei der Deutschen Presse-Agentur am Freitag.

Der Angreifer habe eine schwarze Maske getragen, berichteten Zeugen berichten amerikanischen Medien. Er habe sich aus dem Publikum erhoben und sich auf den Schriftsteller gestürzt. Kurz darauf eilte ein Dutzend Menschen Rushdie zu Hilfe.

Unbestätigte Fotos zeigten, dass der Angreifer, der in den Dreißigern zu sein scheint und einen kurzen Bart trägt, mit Handschellen gefesselt und in Polizeigewahrsam genommen wurde. Auf einem anderen weit verbreiteten Foto ist der Körper einer Person, anscheinend Rushdie, liegend zu sehen, während vier Männer versuchen, ihn wiederzubeleben.

Wegen seines Werks "Die satanischen Verse" (1988) war Rushdie einst mit einer Fatwa belegt worden, die zu seiner Tötung aufforderte. Einige Muslime fühlten sich durch das Werk in ihrem religiösen Empfinden verletzt. Irans Revolutionsführer Ayatollah Khomeini erließ ein islamisches Rechtsgutachten, das zur Tötung Rushdies und all derer aufrief, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren. Ein japanischer Übersetzer wurde später tatsächlich getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz.

Die Tat löste weltweit Entsetzen aus. Die New Yorker Gouverneurin Hochul bezeichnete den Angriff auf Rushdie als "schreckliches Ereignis" und schrieb auf Twitter: "Unsere Gedanken sind nach diesem schrecklichen Ereignis bei Salman und seinen Lieben." Auch die britische Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling drückte ihre Bestürzung aus und schrieb, sie hoffe, es gehe Rushdie gut.

Der US-Senator und Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb am Freitag auf Twitter: "Dieser Angriff ist schockierend und entsetzlich. Er ist ein Angriff auf die Rede- und Gedankenfreiheit, die zwei Grundwerte unseres Landes und der Chautauqua Institution sind." Er hoffe, dass sich Rushdie schnell und vollständig erhole und der Täter zur Rechenschaft gezogen werde.

Geboren wurde Rushdie im Jahr der indischen Unabhängigkeit 1947 in der Metropole Mumbai (damals Bombay). Er studierte später Geschichte am King's College in Cambridge. Seinen Durchbruch als Autor hatte er mit dem Buch "Mitternachtskinder" ("Midnight's Children"), das 1981 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde. 1992 wurde Rushdie mit dem Österreichischen Staatspreises für europäische Literatur ausgezeichnet.

Nach Angaben seines Verlags aus dem vergangenen Jahr hätte die Fatwa des Ayatollahs für Rushdie inzwischen aber längst keine Bedeutung mehr. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr. Die Jahre des Versteckens gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorüber. Er verarbeitete diese Zeit in der nach seinem Aliasnamen benannten Autobiografie "Joseph Anton" aus dem Jahr 2012.

Der in Indien geborene Rushdie war vor allem wegen angeblicher Blasphemie in seinem Buch "Die satanischen Verse" in der islamischen Welt in die Kritik geraten. 1988 wurde das Buch in vielen islamischen Ländern verboten. 1989 sprach das damalige geistliche und politische Oberhaupt des Irans, Ayatollah Ruhollah Khomeini, eine sogenannte Fatwa zur Tötung Rushdies aus. Von diesem Aufruf an alle Muslime war die iranische Führung später abgerückt.

Insgesamt veröffentlichte Rushdie mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und andere Schriften. Rushdies Stil wird als Magischer Realismus bezeichnet, in dem sich realistische mit fantastischen Ereignissen verweben. Dennoch sieht er sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet. Diese sieht er zunehmend in Gefahr, was auch im Zentrum seiner jüngsten Veröffentlichung von Essays steht, die in Deutschland unter dem Titel "Sprachen der Wahrheit" herauskamen.

Der seit vielen Jahren in New York lebende Schriftsteller stemmt sich darin gegen Trumpisten und Corona-Leugner. "Die Wahrheit ist ein Kampf, das ist keine Frage. Und vielleicht noch nie so sehr wie jetzt", sagte er in einem Interview des US-Senders PBS im vergangenen Jahr.