Tatort aus Kiel, 24. April, ORF 2, 20.15 Uhr
"Purple Haze all in my brain.“ Die Liedfetzen legen sich wie ein dunstiger Schleier über die Tausenden Blumenkinder, die nach Fehmarn gepilgert waren, um den 5. September 1970 zum deutschen Woodstock zu machen. Mit jenen Bildern von Jimi Hendrix auf der Ostseeinsel beginnt die neue Tatort-Folge „Borowski und der Schatten des Mondes“. Eine Tankstelle wird zum Ausgangspunkt eines fürchterlichen Unheils – Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) ist davon sogar selbst betroffen. In jenen Herbsttagen 1970 geraten Susanne Hansen und ihr Freund, der junge Borowski (gespielt von Milbergs Sohn August) selbst, in Streit. Susanne will unbedingt trampen, doch niemand hält an. Unter Tränen verzieht sich der junge Borowski in eine Telefonzelle. Ein Kleinbus, Symbol für Freiheit und Flowerpower fährt vor, Susanne steigt ein und taucht nie wieder auf. Bis zu jenem Tag, 50 Jahre später, als eine entwurzelte Eiche im Wald die Leiche einer jungen Frau freigibt. Durch eine Gesichtsrekonstruktion wird schnell klar, um wen es sich hier handelt.
Unter der Regie von Nicolai Rohde und dem Drehbuch von Patrick Brunken und Torsten Wenzel entwickelt sich ein emotionaler Tatort, der nicht nur den grausamen Mord an Susanne Hansen zum Thema macht, sondern auch die Trauer und die Schuldgefühle Borowskis. Schauspieler Axel Milberg gelingt es dabei immer wieder ganz wortlos zu agieren und das Fürchterliche dieser Tat spürbar zu machen. In wenigen Szenen schadet das Explizite der doch sehr feinfühligen Geschichte, die Gegenwart und Vergangenheit miteinander verbindet. Eines bleibt jedoch ein Rätsel: Warum wird schon ganz zu anfangs ein junger Bursche im Hochsitz gezeigt, der sieht, wie Susanne Hansen vergewaltigt wird? Das alles ist zu viel und hätten sich Regie und Drehbuch sparen müssen. Eine bloße Andeutung dieser Szenerie, vielleicht auch nur ein Knacksen im Hochsitz, hätte gereicht. Abseits davon ist es ein intelligenter Tatort, der den Kommissar in seiner Vergangenheit schürfen lässt und dabei Schicht für Schicht ein verzweigtes Geflecht an Schmerz und Trauer freilegt. Wie heißt es doch im Song von Hendrix: „Am I happy or in Misery?/ Bin ich glücklich oder in Not?“ Von Glück ist hier nicht die Rede, der Not versucht Borowski zu begegnen.