An Superlativen für kreative Männer mangelt es nicht: Meisterregisseur, Schauspiel-Ikone, Pop-König, Kunst-Star, Kult-Komponist. So wird Quentin Tarantino, Denzel Washington, David Hockney, Michael Haneke, Mick Jagger, John Williams und vielen mehr sprachlich geschmeichelt. Ihre Schaffenskraft, ihre Originalität, ihre künstlerische Größe – all das scheint unbestritten. Das Genie ist männlich. Auch 2022 wird daran unbeirrt festgehalten. Dabei ist der Mythos der Genialität ein veraltetes Klischee voller seltsamer Biologismen, das Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Annahme entstand, Männer könnten besser denken, schreiben, malen, argumentieren.
So war es der Komponistin Fanny Mendelssohn nicht gestattet, ihre Begabung zum Beruf zu machen, ihrem jüngeren Bruder Felix freilich schon. Frauen durften ihr Talent zwar entdecken, es aber bitte nicht offen zur Schau stellen. Sie war nicht die Einzige. Selbst Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek klagte: „Es wird der Frau einfach kein Werk zugetraut.“