Den Presserat haben im vergangenen Jahr 647 Fälle und damit mehr als jemals zuvor beschäftigt. 31 Mal sah das Selbstkontrollorgan dabei einen Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse gegeben. Neun davon betrafen die "Kronen Zeitung", acht den "Wochenblick" und sechs die Mediengruppe "Österreich". Die hohe Anzahl der Fälle sei unter anderem an den Berichten über Covid-19 gelegen, wie es am Dienstag in der Jahrespressekonferenz des Presserats hieß.

Im Vorjahr hatte es noch 418 Fälle gegeben, im Jahr 2019 waren es 297. "Die stark gestiegene Fallzahl lässt auf eine zunehmende Anerkennung des Presserats in der Bevölkerung schließen", resümierte Presserats-Geschäftsführer Alexander Warzilek, der auch gleich für eine Erhöhung der finanziellen Mittel warb, "um unsere Funktionsfähigkeit auch in Zukunft zu gewährleisten". Die Mittel seien seit 2010 nicht angepasst worden.

Trotz gestiegener Fallzahl ist die Zahl der Ethikverstöße im vergangenen Jahr zurückgegangen (von 36 auf 31), was die Senate des Presserats als positive Entwicklung werten. Mit 111 Fällen (davon 9 Verstöße) lag diesmal die "Krone" an der Spitze, 2020 war es noch "Österreich" bzw. "oe24.at" gewesen. Bei "Heute" gab es 54 Fälle (fünf Verstöße), gefolgt von der "NÖN" mit fünf Fällen (zwei Verstöße) und dem "Kurier" mit 30 Fällen bei einem Verstoß. 102 Fälle (ein Verstoß) gab es beim "Standard". Den Umstand, dass hier im Vergleich zu den Verstößen eine hohe Zahl an Meldungen vorlag, begründet der Presserat mit einer "sehr aktiven Online-Community" bei gleichzeitig vielen substanzlosen Fallmeldungen, wie Andreas Koller vom Senat 2 ausführte. In zwei Fällen wurden die Senate eigenständig aktiv; wobei aber keine Ethikverstöße festgestellt wurden.

Die meisten Ethikverstöße betrafen Persönlichkeitsverletzungen (Punkt 5 des Ehrenkodex): Dazu zählten etwa die Veröffentlichung von Bildern des zusammengebrochenen Fußballers Christian Eriksen während der Euro 2020 ("krone.at"), die Veröffentlichung eines Videos einer Überwachungskamera, in dem ein Mann von mehreren Personen brutal zusammengeschlagen wurde ("oe24.at/video") oder die Bezeichnung einer Spitzensportlerin u.a. als "Glitzer-Neuzugang" und "Bling-Bling-Neuzugang" ("Kronen Zeitung") - dies wurde zudem als frauendiskriminierend gewertet (Punkt 7 des Ehrenkodex). Insgesamt würden brutale Videos immer öfter gezielt für "Clickbait" eingesetzt werden, monierten die Vertreter des Presserats. Hier sei es für Medien angezeigt, ihre Rolle als "Gatekeeper" verstärkt wahrzunehmen.

Mehrere Verstöße wurden auch gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Recherche und Wiedergabe von Nachrichten gezählt. Diese betrafen vor allem die Zeitschrift "Wochenblick", die insbesondere beim Thema Covid-19 Falschnachrichten und Verschwörungserzählungen verbreitet habe. Hier wunderte sich Ex-SPÖ-Justizministerin Maria Berger, die als Vorsitzende des Senats 1 fungiert, "was alles geschrieben wird".

Gegen das Gebot zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten zu unterscheiden, wurde etwa bei Beiträgen über "Casinos Austria" in der "Kronen Zeitung" und der Tageszeitung "Kurier" verstoßen. Im Rahmen einer allgemeinen Erklärung kritisierten die drei Senate die Beeinflussung der Medien durch Inserate der Politik, nachdem beim Presserat mehrere Beschwerden wegen der Inseratenaffäre der Bundesregierung eingelangt waren.

Hohe Wellen hatte Ende des Jahres eine Karikatur mit dem Titel "geilzeit" im Jahresrückblick "Best of Böse" der Wochenzeitung "Falter" ausgelöst, in der die Lebensgefährtin von Sebastian Kurz als Heilige Maria mit entblößter Brust dargestellt wurde. Hier stellte der Presserat keinen Verstoß fest. Auch die Veröffentlichung von politisch brisanten Chatnachrichten, in denen Spitzenpolitiker und Spitzenbeamte miteinander vertraulich kommunizierten, wurde vom Presserat nicht geahndet ("krone.at", "derstandard.at"). Die Senate 1 und 2 argumentierten hier, dass der Inhalt der Chats politisch brisant sei und deren Wiedergabe von demokratiepolitischer Bedeutung und somit von öffentlichem Interesse sei.