Nicht der Rhein, sondern ein Teich im Festspielpark ist Schauplatz der Uraufführung von „Immer noch Loge“, einer Oper von Gordon Kampe nach einem Libretto von Paulus Hochgatterer, für die Nikolaus Habjan die Inszenierung übernommen hat. Auch inhaltlich orientiert sich die einstündige Oper nur auf subtile Weise an Wagners „Rheingold“-Vorlage: Nach einem atmosphärisch-dronemäßig anklingenden „Es“ löschen die Rheintöchter die letzten Glutnester nach dem Brand von Walhall. Die Handlung spielt also nach dem Ende der Götterdämmerung. Erda, die Erdgöttin und Prophezeiherin des Weltenbrandes hält in Form einer greisen, im Rollstuhl sitzenden Puppe Gericht über den „Brandbeschleuniger“ Loge. Gefangen in einem Käfig wird ihm als dem Verursacher des Untergangs auf einem in den Teich reichenden Steg (Bühne und Kostüm: Julius Theodor Semmelmann) der Prozess gemacht. Dass der Tag des Jüngsten Gerichts hier ein Freitag ist, spielt zum einen auf die Fridays for Future-Bewegung und ihren Protest gegen das Sterben der „Eschen“ an. Zum anderen blickt Hochgatterers Text auf Erda als grämende Mutter, die Brünnhilde in den Flammen verlor. Sie fällt schlussendlich das Urteil: Loge wird ein Sprengstoffgürtel an den Leib geschnallt und angezündet.

Applaus für das Team von "Immer noch Loge" mit Paulus Hochgatterer, Nikolaus Habjan und Darstellern
Applaus für das Team von "Immer noch Loge" mit Paulus Hochgatterer, Nikolaus Habjan und Darstellern © APA/MARTIN FICHTER-WÖSS

In der Musik stellt Kampe kluge, zu keiner Zeit überzeichnende oder persiflierende Bezüge zu Wagner her: Sehr viele stark rhythmisierte Glockenklänge rufen etwa Mime im Schmieden wach, Wagnertuben fahren mit jazzigen Glissandi dazwischen, Leitmotiv-Splitter blitzen auf und sind ebenso schnell wieder weg. „Was bleibt übrig wenn Helden verbrennen?“, fragt Erda in einem Walzer. Stephanie Houtzeel leiht ihr und einer Rheintochter ihren warmen Mezzosopran. Die Partien der beiden anderen Rheintöchter sowie von Loge übernehmen Daniela Köhler und Günter Haumer. Alle drei steigen schließlich mit vollem Körpereinsatz zu den Rheintöchter-Puppen in den Teich. Als eine Art Lehrstück erscheint dabei die insgesamt äußerst gelungene Symbiose von Musik, Text, Inszenierung und Szenerie.

Eine "Walküre" in der Art von Hermann Nitsch

Hermann Nitsch bebilderte die "Walküre" im Festspielhaus
Hermann Nitsch bebilderte die "Walküre" im Festspielhaus © APA/Enrico Nawrath

Die beiden Damen waren später auch als Walküren im zweiten Teil der Ring-Tetralogie zu erleben. Im Festspielhaus setzten sich die Sänger in langen, schwarzen Roben zentral auf die Bühne, um in der Anlage eines Oratoriums Wagners Walküre darzubieten. Mit der Inszenierung wurde indes der Aktionskünstler Hermann Nitsch betraut. Die Erwartung war groß, bezieht sich doch sein Orgien Mysterien Theater direkt auf Wagners Konzeption des Gesamtkunstwerkes. Beide, Nitsch wie Wagner, eint die Sinnlichkeit und der Mythos als die zentralen Elemente in ihrem Schaffen. Eine Malaktion in drei, analog zu den drei Aufzügen angelegten Teilen, war das Resultat. Die Maler schütteten unzählige Kübel voller Farbe auf die horizontal wie vertikal ausgebreiteten Flächen. Wenn etwa zur blutschänderischen, inzestuösen Vereinigung der Geschwister Siegmund und Sieglinde die Leinwände in Scharlachrot getaucht wurden, kann gewiss ein Zusammenhang zwischen Nitschs Farbenlehre und dem Inhalt der Walküre attestiert werden. Dennoch schienen die Schüttaktionen großteils unkoordiniert und störten die Musik teils an feinsten Passagen. Ein Flitsch dort, ein Platsch da. Die während der Todesverkündigung im zweiten Aufzug eingelegte Schüttpause muss hoch angerechnet werden.

Zaghaft und lethargisch geriet ferner die Musik unter der Leitung von Pietari Inkinen, dem nächstes Jahr der gesamte Ring überantwortet wird. Schon das wuchtige Vorspiel zum ersten Aufzug wirkte zurückhaltend und harmlos. Der Walkürenritt verkam zum Pony-Trab. Nur vereinzelt, insbesondere gegen Ende hin zum Feuerzauber gelang es Inkinen, starke dynamische Akzente und differenzierte Nuancen zu setzen. Nitsch erntete heftige Buhrufe, nur die an Inkinen adressierten fielen noch deutlicher aus.

Am Bildrand rechts: Klaus Florian Vogt (Siegmund) und Lise Davidsen (Sieglinde). Regisseur Nitsch und Dirigent Inkinen wurden ausgebuht.
Am Bildrand rechts: Klaus Florian Vogt (Siegmund) und Lise Davidsen (Sieglinde). Regisseur Nitsch und Dirigent Inkinen wurden ausgebuht. © APA/Enrico Nawrath

Die Gesangspartien waren durchwegs stark, Iréne Theorin konnte als Brünnhilde aber in den hohen Lagen und in Sachen Textverständlichkeit wenig überzeugen. Ebenso fehlte es Christa Mayers Fricka an stimmlicher Rundheit. Wenn auch gewiss, wie man in den knappen und unscheinbaren „Wälse-Rufen“ gewahr wurde, nicht als ein Heldentenor, gefiel Klaus Florian Vogt doch als zarter, lyrischer Siegmund vor allem im Frühlingslied. Souverän auch Tomasz Konieczny (Wotan), der kurzfristig für den erst nach der Generalprobe ausfallende Günther Groissböck eingesprungen ist und Dmitry Belosselskiy (Hunding). Vor allem begeisterte aber Lise Davidsen als Sieglinde mit ihrem vollen, akzentstarken und beweglichen Sopran.

Der zwei weiteren Teile der Nibelungen-Tetralogie wurde sich auf installative Weise angenähert: In „Sei Siegfried“ konnte man mittels Virtual Reality Brille selbst den Drachen Fafner erlegen und mit „Thread of Fate“ bezieht sich Chiharu Shiota in ihrer Skulptur aus roten Fäden auf die Nornenszene in der Götterdämmerung.