Der Kurzvideo-Dienst TikTok sorgt für ein Meme nach dem anderen: Zwei dieser Internet-Phänomene haben Millionen Menschen weltweit erreicht. Dabei werden sogar neue Kunstformen geschaffen – die ihren Ursprung bei ganz normalen Menschen haben.

Als vorigen Sommer die US-Lehrerin Emily Jacobsen auf TikTok ihr kurzes Lied „Ode to Remy“ veröffentlichte, postete ein User nach dem anderen ein weiteres Lied als Hommage an den Disney-Film „Ratatouille“. Das gipfelte in einem 72-stündigen Internet-Musical mit Broadway-Stars. Die Botschaft der kleinen Ratte Remy lautete „Jeder kann kochen“. Im Internet und vor allem auf „Social Media“ heißt es: Jeder kann Inhalte kreieren. Bisher wurden die Videos eine Milliarde mal aufgerufen.


Erst kürzlich trat der schottische Briefträger Nathan Evanss mit seiner Interpretation eines „Sea Shanty“ einen weiteren Hype los: Evanss singt „The Wellerman“, ein neuseeländisches Seemannslied. Der eingängige Rhythmus des Liedes, angepasst an die Arbeitsbewegungen der Seefahrer, sorgt für einen neuen Folk-Hype, der die Generation Lockdown mitten ins Herz trifft. Seefahrerromantik und Zusammengehörigkeitsgefühl sind die Würze dieser Seemannslieder: „Soon may the Wellerman come, to bring us sugar and tea and rum“. Die Weller Brothers versorgten im 19. Jahrhundert die Seefahrer mit dem Notwendigsten. Im übertragenen Sinn schwingt in dem Lied auch die Sehnsucht nach verheißungsvollen Versprechungen mit: wenn die Impfung gegen das Virus den Erwartungshorizont ausfüllt. Damit die Menschen sich wieder Zucker, Tee und Rum hingeben können – und zwar von Angesicht zu Angesicht.