Er selbst nannte sich einen „Kritzler“ und „Strichisten“, andere sahen in ihm einen genialen „Fechter mit dem Pinsel“, der mit unverkennbarer Handschrift Bilder voller Heiterkeit und Poesie schuf. Nun hat der große Neuerer der österreichischen Nachkriegsmalerei seinen Degen für immer aus der Hand gelegt. In der Nacht auf Sonntag ist Hans Staudacher kurz nach seinem 98. Geburtstag in einem Wiener Altenheim „friedlich eingeschlafen“, wie sein Galerist Ernst Hilger mitteilte.

Bereits als Volksschüler hatte der Eisenbahnersohn aus St. Urban am Ossiacher See „künstlerischen Handlungsbedarf“, wie es sein Wegbegleiter Peter Baum einmal diagnostizierte. Als Staudacher viele Jahre später aus dem Krieg heimkehrte, sperrte er sich eine Woche lang ein, um seine traumatischen Erlebnisse – seinen inneren „Stau“, wie er es nannte – in hunderten Tierbildern zu verarbeiten.

Auf solche gegenständlichen Anfänge, die sich auch in kubistisch-impressionistischen Landschaftsbildern und Porträts ausdrücken konnten, folgten 1951 die ersten tachistischen Pinselhiebe. Mehrere Paris-Aufenthalte zwischen 1954 und 1962, bei denen der Autodidakt den Dadaismus und Lettrismus eines George Matthieu kennenlernte, ließen ihn schließlich zu einem der wichtigsten Vertreter der heimischen Avantgarde avancieren.

Hans Staudacher mit Gattin Uschi und Tochter Ursi
Hans Staudacher mit Gattin Uschi und Tochter Ursi © Hirtenfelder

In den Jahren bis zu seiner weitgehenden Erblindung malte Staudacher Tausende Gemälde und Zeichnungen im Stil des Lyrischen Informel, die meisten davon in seinem Atelier in der Wiener Ankerbrotfabrik oder in seinem kleinen Häuschen bei Finkenstein. Sie tragen Titel wie „Spuren“, „Patzereien“ oder „Fleckenpoesie“ und entsprangen einem künstlerischen Wollen, das der umtriebige Aktionist am liebsten als „Tanz“ oder „Spiel“ bezeichnete. Auch Schicksalsschläge wie der frühe Tod seines einzigen Sohnes konnten Staudachers Bildern nichts von ihrer Kraft und Leichtigkeit nehmen.

Obwohl bereits 1956 von Werner Hofmann zur Biennale nach Venedig entsandt und später mit dem Hauptpreis der Biennale in Tokio ausgezeichnet, musste der leidenschaftliche Virginia-Raucher lange Zeit als Tankwart oder Teppichreiniger jobben, um seine kleine Familie über Wasser halten zu können. Heute sind seine kalligrafisch anmutenden Kompositionen begehrt bei Sammlern wie bei Fälschern, was dem Künstler in seinen letzten Jahren so manch lästigen Gerichtstermin bescherte.

„Ich bin ein Weltmaler“, hat Hans Staudacher einmal mit typischer Spitzbübigkeit und zugleich selbstbewusst auf eines seiner Werke gekritzelt. Auf einem anderen sind die Worte zu lesen: „ES IST VOLL PRACHT“. Besser kann man sein künstlerisches Schaffen nicht auf den Punkt bringen.
Der „Schnelle Hans“ wird der Welt fehlen. Doch seine prachtvollen Tänze auf Leinwand und Papier werden uns weiterhin begleiten und erfreuen.