Als der Brite Roger Penrose im Oktober 2020 den Physiknobelpreis zugesprochen bekam, war einer breiten Öffentlichkeit vielleicht nur eines bekannt: dass Sheldon Cooper, der spleenige Nerd aus der TV-Serie „Big Bang Theory“, gern ein T-Shirt mit einem „Penrose-Dreieck“ darauf trägt. Das Dreieck zeigt eine unmögliche Figur, die es in der Realität nicht geben kann.

In der modernen Popkultur ist dieses Universum der Zitate ein beliebtes Mittel, um eine Aura des Geheimnisvollen oder Besonderen zu erzeugen. Man denke nur an die Fibonacci-Folge, eine Reihe von Zahlen, bei der die Summe der zwei vorhergehenden Zahlen immer die nächste Zahl ergibt: 2 plus 3 ist 5, 3 plus 5 ist 8 und so weiter. Leonardo Fibonacci beschrieb damit das Wachstum einer Kaninchenpopulation, Dan Brown verwendete sie, um einen Safe zu öffnen.

„Das wechselseitige Zitieren und die Anspielungen, heute auch zwischen Film und Social Media, sind ein großes Referenzuniversum“, sagt Matthias Wieser, assoziierter Professor am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Doch spulen wir zurück bis zum 1. Januar 1818, als Mary W. Shelley ihren Roman „Frankenstein“ veröffentlichte. Für Wieser ist das Buch ein frühes Beispiel von Popularisierung der Wissenschaft, die auch auf die unbeabsichtigten Folgen von Wissenschaften verweist. Viktor Frankenstein erschafft in dem Roman einen künstlichen Menschen, womit Shelley die künstliche Intelligenz von heute bereits im 19. Jahrhundert vorwegnimmt. Shelleys Roman ist bis heute populär geblieben und zeigt, was Wieser das „Spiel mit wissenschaftlichen Themen“ nennt: Wissenschaft, gerade Naturwissenschaften, haben in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert, auch aufgrund ihrer Abstraktheit, und üben große Faszination aus – wie zum Beispiel die Luft- und Raumfahrtforschung.


Das Themenfeld der Science Fiction ist ein Phänomen der Aufklärung, die zu einer Verwissenschaftlichung der Welt führte. So träumte sich Margarete Cavendish im 17. Jahrhundert in „The Blazing World“ in eine alternative Welt. Das 19. Jahrhundert ist dann bereits voll von wissenschaftlich gefärbter Literatur: Edgar Allan Poe, H. G. Wells, Jules Verne oder E. T. A. Hoffmann.

Im 19. Jahrhundert kam es zu einer Popularisierung von Wissenschaft und einer Verwissenschaftlichung von Populärkultur:Jules Verne und seine „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1864) oder seine Mond-Romane nehmen wissenschaftliche Erfindungen vorweg und stehen Pate für die moderne Science Fiction-Kultur zwischen Literatur, Film und Comic.

Wie Wissenschaft popularisiert wurde

Auf Jahrmärkten wurden „galvanische Experimente oder magnetische Hypothesen öffentlich vorgeführt“, wie der Literaturwissenschaftler Nicolas Pethes schreibt. Auch Vortragsreisende haben „Wissenschaftliches“ popularisiert. Mit der Industrialisierung wurde die Weltausstellung 1851 als Leistungsschau geschaffen. „Das Thema Wissenschaft kommt früh in der Literatur vor, natürlich wird es später in populären Kulturen wie Musik, Film und Fernsehen und heutzutage auch in digitalen Kulturen behandelt“, sagt Wieser.


Auch Wissenschaftler als Personen, meist Männer, sind Motive der Populärkultur, ob es das „klassische Bild des zerstreuten Professors“ ist oder das des Kapazunders: Viktor Frankenstein, der Zeitreisende aus H. G. Wells „Zeitmaschine“ oder Jerry Lewis als „Verrückter Professor“ im gleichnamigen Film aus dem Jahr 1963 sind dafür Beispiele. Vor allem berühmte Naturwissenschaftler werden gerne popularisiert: Albert Einstein selbst ist mit seiner herausgestreckten Zunge zum Pop-Phänomen geworden. Von Andy Warhol ikonisiert gilt Einstein generell als Synonym für das Genie: Seine Formel „E = mc2“ selbst ist Popkultur.

Vom Forscher Isaac Newton, der das Gravitationsgesetz formulierte, wird gerne das (popkulturelle) Bild gezeigt, wie ihm ein Apfel auf den Kopf fiel. In der Comic-Story „Newtons Apfel“ ist gar Donald dafür verantwortlich, dass Newton das Stück Obst auf den Kopf fällt: Der Enterich landet nämlich mit einer Zeitmaschine in jenem Apfelbaum, unter dem Newton sitzt.

Äußerst populär wurde auch der Physiker Stephen Hawking, der mit „Monty Python“ den Galaxy-Song singt, bei den „Simpsons“ seinen Auftritt hat und in „Star Trek“ mit Albert Einstein, Newton und dem Androiden Mr. Data Poker spielt.


Erklären lässt sich das heutige Zitieren der Wissenschaften in der Popkultur auch mit der Bildungsexpansion in den 1960er und 1970er-Jahren: „Die Gesellschaft generell ist heute höher gebildet und kennt Wissenschaft. Zu einer großen Verwissenschaftlichung der Gesellschaft kam es auch, weil auch Wirtschaft und Industrie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und produzieren“, sagt Wieser.

Neben „Zukunftsutopien, die eine Faszination ausüben und dann vielleicht auch in der realen Welt in technische Innovationen münden“, so Wieser, sind in der Pop-Kultur von heute Dystopien beliebt, die negative Zukunftswelten präsentieren: „Ob die Gesellschaft eher negativ oder positiv in die Zukunft blickt, ist interessant für die Gegenwartsanalyse. Dabei stellt sich die Frage: Welche Ängste oder Wünsche hat unsere Gesellschaft?“ Die Pop-Kultur zwischen Film und Graphic Novel wird auch auf die weltweite Corona-Pandemie eine Antwort finden und sie in ihr Referenz-Universum einarbeiten. Wie sagte Einstein? „Alle Religionen, Künste und Wissenschaften sind Äste des gleichen Baumes.“