Die Coronakrise hat auch die Kultur-Veranstalter vor massive Probleme gestellt. Bernhard Rinner, Geschäftsführer der Bühnen Graz (Oper, Schauspielhaus, Spielstätten, Next Liberty), hat mit der APA über die Herausforderungen im und nach dem Lockdown gesprochen. Mangelnde Planungssicherheit und immer neue Bestimmungen würden ein "Fahren mit angezogener Handbremse" erfordern. Rinner zeigte sich aber überzeugt, dass sich Theater als "coronafest" erweisen werde.

Wochenlang waren alle Theater zu, dann gab es im Juni wieder kleinere Vorstellungen mit sehr wenig Besuchern, seit Herbst ist zumindest eine halbe Belegung in den Veranstaltungsräumen wieder möglich? Wie geht's den Bühnen Graz jetzt?

Bernhard Rinner: Mit der Wiederöffnung unserer Häuser war eine große Genugtuung, ja geradezu ein Gefühl von Erfüllung spürbar: Endlich spielen wir wieder! War die Zeit davor doch vor allem von Unsicherheit und Sorge geprägt, hat der Saisonbeginn gezeigt, dass der Kontakt zum Publikum unersetzlich ist. Gleichzeitig schwebt nun natürlich das Damoklesschwert einer möglichen Beeinträchtigung des Spielbetriebs über uns: sei es ein Covid-19-Fall, der unsere Häuser paralysiert, ein "Corona-Spreader" im Publikum, mit dem die weitgreifenden Auswirkungen des Contact-Tracings einhergehen, oder die sich verschärfenden Maßnahmen der Politik bei einer Grazer Ampelschaltung auf "Orange". Fakt ist: Wir fahren mit angezogener Handbremse, um rasch richtige Entscheidungen treffen zu können.

Wechselnde Vorgaben der Politik

Was waren die größten Herausforderungen während des Lockdown?

Bernhard Rinner: Aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen forderten uns von März bis Juni vor allem die Managementaufgaben, mussten wir doch das strauchelnde Schiff "Bühnen Graz" wieder auf ruhige Bahnen lenken. Dann kamen die wechselnden Vorgaben der Politik hinzu, die richtige Entscheidungen rund um Saalpläne und Verkauf zum Drahtseilakt machten. Oftmals wurden Reglementierungen medial verlautbart, ohne dass es eine entsprechende Verordnung dazu gab, auf deren Basis wir hätten agieren können. Im Innenverhältnis war auch die Kommunikation mit den mehr als besorgten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Herausforderung. Wir wollten Ängste nehmen, ohne dabei den Kopf vor der Realität in den Sand zu stecken.

Und danach?

Bernhard Rinner: Nach dem Lockdown beschäftigten uns zunächst vor allem die Präventionskonzepte für die einzelnen Gesellschaften sowie die geänderten Probenverhältnisse und die Vorbereitungen der Corona-Tests für alle Mitwirkenden. Wir wollten bis zum Saisonstart mehr als gut vorbereitet sein und setzen seitdem alles daran, dass sich unser Publikum sehr sicher fühlt: von strengen Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen bis zur Maskenpflicht vor und nach der Vorstellung, im Schauspielhaus sogar währenddessen. Unsere künstlerischen Kollektive, also Chor, Orchester und Ensembles, werden mehrfach im Monat getestet, wobei wir hier sowohl auf PCR-Tests als auch Schnelltests setzen.

Ein Großteil der Mitarbeiter der Bühnen Graz war in Kurzarbeit - wie schaut die Situation jetzt aus? Müssen Subventionen für die Zeit, in der nichts gespielt wurde, zurückbezahlt werden?

Bernhard Rinner: Nach aktuellem Informationsstand von Seiten unserer Eigentümer müssen Subventionen nicht refundiert werden und die Kurzarbeit konnte eine großangelegte Kündigungswelle in allen Theatern Österreichs verhindern. Aktuell sind von weiteren Maßnahmen in unserem Konzern die Grazer Spielstätten (Orpheum, Dom im Berg, Schloßbergbühne Kasematten, Anm.) betroffen, die von Oktober bis März in eine dritte Phase der Kurzarbeit nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen übergehen. Grund dafür ist ein wahrer Meteoriteneinschlag am Veranstaltungssektor, der Rock, Pop, Metal, teilweise auch das Kabarett betrifft, und eine Erholung davon ist bis Frühjahr 2021 nicht in Sicht. Das Hilfspaket der Bundesregierung für die Veranstaltungsbranche scheint also nicht - oder noch nicht - zu wirken.

Neue Regeln im Veranstaltungsmanagement

Wie geht man mit der fehlenden Planungssicherheit um?

Bernhard Rinner: Eine Planungssicherheit existiert in unserem Geschäft nicht mehr. Das oberste Primat lautet nunmehr Flexibilität. Selbst langfristig vorbereitete Verträge müssen situationselastisch angepasst werden. Seien es neue Regeln im Veranstaltungsmanagement oder die hochgerechneten Testkosten von einer Viertelmillion Euro für diese Saison, alle unsere Bereiche von Kunst über Technik bis Controlling und Verwaltung sind gefordert, auf die derzeitige Situation sowie auf das, was noch kommen mag, entsprechend zu reagieren. In der Oper plant man Produktionen zwei Jahre im Voraus, im Schauspiel ein Jahr. Da wird erst augenscheinlich, dass die aktuelle Situation für Kulturinstitutionen im wahrsten Sinne des Wortes kein leichtes Spiel ist.

Wie ist das Publikum mit der Situation umgegangen? Merkt man Veränderungen beim Kartenkauf? Wie funktioniert der Vorverkauf, wenn man nicht weiß, wie viele Karten tatsächlich verkauft werden dürfen?

Bernhard Rinner: Unser Abo-Publikum hält uns nach wie vor die Treue: Mit einem geschätzten Rückgang von circa zehn Prozent liegen wir im internationalen Vergleich der Einbußen im unteren Niveau. Der Freiverkauf ist unkalkulierbar. Wir sehen aber, dass sowohl die Angst, sich in geschlossenen Räumen anzustecken, als auch ein präventives Sparen Motive für einen zurückhaltenden Kartenkauf sind. Manch einer bei uns bangt deshalb, dass sich die Menschen vom Theater entwöhnen, wenn sie uns längere Zeit nicht besucht haben, aber im Grunde glauben wir alle fest an die Magie unserer Kunst. Das Live-Erlebnis Bühne ist eine jahrtausendealte Tradition, die sich auch als coronafest erweisen wird.