Als Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner Ansprache vergangenen Sonntag auf die coronabedingt neuen Formen des Grüßens zu sprechen kam, zeigte er eine Verbeugung vor und meinte dann mit verschmitztem Blick: „Das darf ruhig auch ein bisschen Spaß machen.“ Damit spielte das Staatsoberhaupt auf eine historisch belegte Grundtatsache unseres Zusammenlebens an: Auch in ernsten und bedrohlichen Zeiten ist Humor ein probates Mittel zur Verbesserung, zumindest Entkrampfung der Lage.

Denn Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Und der Anlass, dem es lächelnd zu trotzen gilt, ist derzeit ja vorhanden. Wir stehen in einer besonders heimtückischen, noch dazu globalen Krise, die in ihrer toxischen Mischung aus physischer Lebensgefahr, wirtschaftlichen Überlebensängsten, hohem sozialem Druck durch temporären Freiheitsverlust sowie Ungewissheit über die Zukunft besonders stark auf unseren Seelen lastet. Wer weiß schon, wie das endet? Wir Europäer, deren biografische Mission sich eben noch darin zu erschöpfen schien, ein rundum abgesichertes Vollkaskoleben maximal auszukosten, blicken fassungslos in den Schlund nie gekannter Elementargefahren.

Der Mensch ist die Corona der Schöpfung, und sein Bedürfnis, sich scherzhaft über dunkle Zeiten hinwegzuhelfen, ist elementar. In den sozialen Medien, die jetzt noch mehr als sonst den Ton angeben, kursiert ein nicht abreißender Strom an Klopapier- und Hamsterkaufwitzen. Die stehen in der humoristischen Nahrungskette ganz unten. Am anderen Ende der Skala finden sich rare Kleinode hintergründiger Komik, etwa die Zeichnung eines Mannes mit Halskrause, wie sie sonst Hunde gegen das Abschlecken ihrer Operationsnarben tragen. Neben dem Mann sitzt ein Hund und sagt mitleidvoll: „Es ist zu deinem Besten - du sollst dir nicht ins Gesicht fassen.“

Klar ist aber auch, dass keineswegs alle Menschen an solchen Scherzen Gefallen finden. So verlässlich wie die Schar der Komiker taucht in der Krise auch die Gruppe der Kostverächter auf, die sich angewidert fragen: Darf man denn das? Ist es statthaft, sich über das Elend lustig zu machen? Muss das sein? Und vor allem: Findet das überhaupt jemand lustig?

Diesem Einspruch liegt offensichtlich der Irrtum zugrunde, es gebe gleichsam ein festes Gegensatzpaar „ernst/lustig“ bzw. „tragisch/komisch“, das uns in eine Entweder-oder-Entscheidung zwingt: Wer mit der Krise seine Späße treibt, der verkennt demnach den Ernst der Lage. Bis ihm eines Tages - sprichwörtlich „das Lachen vergeht“.

In Wahrheit ist nicht selten das Gegenteil der Fall. Gerade, wer die Tragweite des Geschehens ermisst, sieht oft in der humoristischen Spiegelung einen willkommenen Ausweg. Im Extremfall ist es der sprichwörtliche Galgenhumor, der uns auch noch im Angesicht des ultimativen Schreckens lustig werden lässt. Sogar in den Konzentrationslagern des Dritten Reichs kursierten Witze. Eine eigene Abteilung in der Gedenkstätte von Yad Vashem ist diesem Phänomen gewidmet.

Überhaupt haben große Notzeiten immer schon auch das Kabarett beflügelt. Dass das Lachen geradezu eine Wunderarznei für Körper, Geist und Psyche darstellt, ist bekannt und auch physiologisch messbar. Der Arzt und Komiker Eckart von Hirschhausen nannte das Lachen einmal „die gesündeste Infektionskrankheit der Welt“, weil es den Blutdruck senkt und das Immunsystem stärkt.

Von Hirschhausen beschreibt Humor als eine soziale Erscheinung, die Aggressionen mindert und Stress abbaut. Das machen sich beispielsweise auch die „Rote-Nasen-Clowns“ zunutze, die in Normalzeiten auf Kinderkrankenstationen ihr Wesen treiben: Die Heilung kranker Kinder soll durch Lachen beschleunigt werden.

Hinter dem Unbehagen über Krisenwitze steckt freilich oft ein anderes Problem: Mehr noch als sonst wäre bei Scherzen am Rande des Tragischen nicht der derbe, schenkelklopfende Prügel gefragt, sondern die Kunst der feinen Klinge. Generell beschäftigt uns ja das Problem, dass sich der gute Witz vom schlechten vor allem im Auge des Betrachters unterscheidet, weil es um Geschmacksfragen geht. Doch mit der Not wächst auch die Absturzgefahr: Zwischen Schmäh und Schmähung verläuft ein schmaler Grat.

Humor kann eben immer auch (manchmal unbeabsichtigt) verletzend sein. Oder als Waffe verwendet werden, wie etwa die Ausstellung „Keep smiling“ - ein Projekt der Intro-Graz-Spection - vor einigen Jahren bewies. Da ging es um unterhaltsame Propaganda in Kriegszeiten und andere Abwege und Abgründe des vermeintlich nur Lustigen. Sich über die Zeiten hemmungslos lustig zu machen, nicht aber über die Menschen, das wäre schon einmal ein brauchbarer Beginn.

Van der Bellen: "Es darf auch ein bisschen Spaß sein"