Das Aufsässige haben sie auch als betagte Herren nicht ganz abgelegt, die Frontmänner der legendären britischen Rockband The Who. "I Don't Wanna Get Wise" heißt einer der Songs auf ihrem neuen - und um es gleich vorwegzunehmen: tollen - Comeback-Album "WHO". Gitarrist Pete Townshend (74) und Sänger Roger Daltrey (75) wollen "nicht vernünftig werden". Kein Problem, wenn dabei eine solche Platte herauskommt - über 50 Jahre, nachdem The Who ihre berühmteste aufsässige Textzeile gesungen hatten, zu einer Zeit, als die Rockmusik wirklich noch jung und rebellisch war: "I hope I die before I get old" ("Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde") aus dem Song "My Generation" (1965). Alt sind sie nun zwar doch geworden. Aber auf ihren neuen Liedern hören sich Daltrey und Townshend nicht so an. Vor allem in der kraftstrotzenden ersten Albumhälfte - ehe sie es später etwas ruhiger angehen lassen, ohne dabei lahm oder peinlich zu klingen.

"WHO" (zu Recht ein selbstbewusster Großbuchstaben-Titel) ist das erste Werk seit 2006, das diese neben Beatles und Rolling Stones berühmteste britische Band der 60er nun vorlegt. Erst ein Dutzend Studioplatten haben Townshend, der Gitarrist mit dem ikonischen "Windmühlen"-Saitengedresche, und Rock-Röhre Daltrey bisher zusammen gemacht. Oft gab es Streit, Soloprojekte, lange Pausen - und dann stets eine Rückkehr, die den guten Ruf von The Who nicht beschädigte.

Die Latte lag hoch

Diesmal legte Daltrey die Messlatte vor der Veröffentlichung besonders hoch: Das kommende Album sei das beste seit dem Klassiker "Quadrophenia" von 1973. Zwar haben The Who seit ihren bahnbrechenden Konzeptalben "Tommy" (1969) und "Quadrophenia" (1973) keine Meisterstücke mehr produziert, dennoch klang die Ansage des Sängers zu Jahresbeginn schon fast beängstigend großmäulig.

Jetzt also: Entwarnung. Der Opener "All This Music Must Fade", die wütende Guantanamo-Anklage "Ball And Chain" oder die schon erwähnte Spaß-Selbstermächtigung "I Don't Wanna Get Wise" enthalten keine gänzlich neuen Ideen - wie kaum anders zu erwarten bei einer Band, die ihren Trademark-Sound über so viele Jahre entwickelt hat. Doch die Lieder haben starke Melodien, das Album ist wunderbar wuchtig produziert (bestes Beispiel: "Hero Ground Zero", das mit Orchester-Begleitung direkt an die "Rockopern" von The Who anknüpft).

Die dienstälteste Band neben den Stones zeigt sich auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. "Wir haben nicht mehr das gute Aussehen. Wir haben nicht mehr den Glamour", sagte Daltrey zur Album-Ankündigung. "Was uns bleibt, ist die Musik, und wir werden sie so frisch und kraftvoll wie immer präsentieren." Das zielt wohl auch auf künftige Live-Auftritte - bei The Who immer ein besonderes Ereignis.