Zu den Vorwürfen gegen die Ballettschule an der Wiener Staatsoper werden jetzt immer mehr Details bekannt. Jene Lehrerin, der Gewalt und Demütigungen vorgeworfen werden, war schon früher dort beschäftigt.

Sie wurde mehrfach entlassen, später dann aber wieder eingestellt,  berichtet der Radiosender Ö1 Donnerstag früh. Jetzt ist sie erneut entlassen worden, und die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die fragwürdigen Methoden der Ballett-Lehrinnen und -Lehrer müssen der Leitung bekannt gewesen, sagt dazu eine Ballettschülerin. Sie erzählt, dass sie sich selbst dort beschwert hat. Was mit ihren Kindern in der Ballettschule passiert, das wissen viele Eltern nicht, sagt die Ballettschülerin. Und dementsprechend besorgt bis schockiert zeigen sich jetzt auch einige Eltern.

Sofia Schabus (27) wurde in Wien ausgebildet: Sie war von 2002 bis 2009 an der Ballettschule der Staatsoper. Die Steirerin ist heute im Ensemble des Friedrichstadt Palasts Berlin. Grenzüberschreitungen erlebte sie nie:

Schwere Vorwürfe gegen die Ballettschule der Wiener Staatsoper, Sie haben selbst dort studiert. Wie haben Sie die Ausbildung erlebt?
SOFIA SCHABUS: Ich habe das jetzt über die Medien mitbekommen. Ein Statement fällt mir schwer, weil ich seit zehn Jahren dort weg bin und sich seither bestimmt viel verändert hat. Ich war von elf bis 18 an der Schule, auch im Internat. Die Ausbildung war natürlich hart, aber ich hatte sie mir ja selber ausgesucht. Wichtig war für mich, dass meine Eltern mir immer freigestellt haben, aufzuhören und nach Hause zu kommen, wenn es mir zu hart wird. Diese Unterstützung war wichtig für mich. Aber ich wollte ja tanzen. Ich hatte es mir selbst ausgesucht und niemand zwang mich, hinzugehen.

Waren die Ausbildner vielleicht auch zu hart?
SCHABUS: Na ja, das Training basiert auf ständigen Korrekturen, man muss am Ballett offen sein für kontinuierliche Kritik. Für Fünf- oder Sechsjährige ist das viel. Als Teenager kann man sich entscheiden, ob man die körperliche und geistige Stärke aufbringen möchte, um das durchzuziehen. Insofern haben mich die sieben Jahre in Wien körperlich und mental auf den Job vorbereitet, da geht das ja dann weiter mit den Herausforderungen. Aber das war für mich weit entfernt von physischem oder psychischem Missbrauch.

Gab es damals Grenzfälle, über die man mit dem Abstand von zehn Jahren anders urteilen könnte?
SCHABUS: Mir fallen keine konkreten Fälle ein, die ich aus heutiger Sicht als problematisch beurteilen würde. Aber wir hatten natürlich harte Lehrer. Und natürlich tun die Füße weh, wenn man anfängt, auf Spitze zu tanzen. Aber das ist eben wie im Spitzensport.

Sofia Schabus, 1991 geboren, war an der Wiener Staatsopernballettschule, von 2009 bis 2011 in Hamburg und ist seit 2013 Tänzerin am Friedrichstadt Palast Berlin
Sofia Schabus, 1991 geboren, war an der Wiener Staatsopernballettschule, von 2009 bis 2011 in Hamburg und ist seit 2013 Tänzerin am Friedrichstadt Palast Berlin © James Kalman

Dort werden von den Trainern, hört man, Schmerzen und auch Verletzungen in Kauf genommen.
SCHABUS: Wir wurden nie zu etwas gezwungen, vor allem nicht unter Schmerzen. Wenn ich meinen Lehrern meine Füße gezeigt habe, weil sie bluteten, konnte ich auch einmal einen Tag ohne Spitzenschuhe tanzen.

Aber es wurde erwartet, dass man über seine Grenzen geht?
SCHABUS: Es ist normal, dass man über seine Grenzen geht, weil man seine Grenzen ja auch kennen lernen muss. Kommunikation ist dabei wichtig. Jeder entscheidet sich, wo seine Grenzen sind und wie weit man sie pushen kann. Aber nicht unter Zwang.

Haben Sie Gewalt erlebt?
SCHABUS: Nein, das habe ich nicht, aber auch da sind die Grenzen individuell. Wenn ein Kind nicht will, dass die Lehrerin es anfasst, muss es das klarstellen. Aber beim Ballett ist es eben normal, dass Haltung korrigiert oder auch einmal ein Bein nach oben gedrückt wird. Das muss halt im Rahmen sein.

Die Grenzen zwischen Korrigieren und Bestrafen wurden nicht überschritten?
SCHABUS: Nein, das gab es nicht. Meine Lehrer haben nie etwas gesagt, um zu verletzen. Sie waren immer darauf fokussiert, uns besser zu machen. Da war nichts Gemeines oder Unmenschliches. So hart das Training und der Beruf auch sind: Es geht im Grunde immer darum, das Beste aus dir herauszuholen.

Es gab auch einen Missbrauchsfall.
In meinen sieben Jahren hat es meines Wissens nichts dergleichen gegeben. Überhaupt nichts. Ich weiß nicht einmal, wer in dem jetzt beschriebenen Fall anklagt oder angeklagt ist.