Auf allen vieren schleicht Stanley im Halbdunkel die steile Treppe hinunter. Wie ein Panther, bereit zum tödlichen Sprung, nähert er sich leise der verschreckt an die Wand gepressten Blanche. „Hast du was dagegen, wenn ich es mir bequem mache“, faucht er bedrohlich leise. Wenig später dieselbe Szene noch einmal: Diesmal in grellem Licht, das Stanley Kowalskis violettes Blümchenhemd grell erleuchtet. Nun tänzelt er mit seiner nicht minder schrill gekleideten Entourage (Kostüme: Johanna Stenzel) über die Treppe und streift sich lasziv sein Hemd über den Kopf.

Dem verheißungsvollen Beginn, in dem die Demarkationslinie zwischen Blanche DuBois’ neurotischen Trugbildern und der (Theater-)Wirklichkeit verwischt ist, lässt die deutsch-türkische Regisseurin Pınar Karabulut in ihrer Inszenierung von Tennessee Williams’ „Endstation Sehnsucht“ dramaturgisch leider nichts ähnlich Schlüssiges folgen. Problematisch ist schon das Bühnenbild von Aleksandra Pavlovic): Die Prachttreppe ins Souterrain eines giftig bemalten, pseudobarocken Anwesens lässt nichts erahnen von den finanziellen Nöten des polnischstämmigen Arbeiters Stanley, an dem Blanches Schwester Stella (Katharina Klar mit blassblauer Perücke) dennoch Gefallen findet. Dabei treiben gerade die sozialen Spannungen zwischen Stanley und der aus einer reichen Pflanzerfamilie stammenden Blanche das Drama voran.

Unterhaltsame Travestie herrscht auf der Bühne vor
Unterhaltsame Travestie herrscht auf der Bühne vor © (c) Daniel Kindler

Dialoge wie Fremdkörper

In der manchmal durchaus unterhaltsamen Travestie, die Karabulut mit viel Fantasie auf die Bühne des Wiener Volkstheaters zaubert, wirken die Dialoge jedoch wie Fremdkörper: Die realistischen Figuren, die Williams beschreibt, verschwinden im Entertainment und gehen buchstäblich baden, als just in der Liebesszene zwischen Blanche und Mitch (Nils Hohenhövel) Wasser über die Treppe zu quellen beginnt. Schade, denn Steffi Krautz als hochemotional spielende Blanche könnte wohl gut eine bewegende Sozialtragödie vermitteln. Doch der Alkoholismus, mit dem Blanche den Schmerz über das verlorene Anwesen „Belle Rêve“ ertränkt, wird von Karabulut ausgeblendet. Erst durch ihre whiskeygetränkten Provokationen würde die gewalttätige Tierhaftigkeit Stanleys erklärbar, dem Jan Thümer immerhin schlängelnde Ambivalenz verleiht.